Als politische Forderung ist sie populär, in der Praxis aber nur eingeschränkt umsetzbar: die Kürzung von Sozialleistungen für Ausländerinnen und Ausländer. Schon im März pochte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei seiner Rede "Österreich 2030" darauf, die vollen Sozialleistungen künftig nur Menschen zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren legal in Österreich aufhalten. Davor solle es nur die Hälfte geben. Gelten sollte die Kürzung laut Nehammer "für alle".

Anfang der Woche wiederholte die ÖVP die Forderung, außerdem will man vermehrt auf Sach- statt Geldleistungen setzen. Österreich dürfe "keinesfalls Magnet für jene sein, die ein gutes Leben auf Kosten der österreichischen Steuerzahler führen möchten", schrieb die Kanzlerpartei.
Details, welche Sozialleistungen konkret gemeint sind, blieb die ÖVP bisher schuldig. Auch der Entwurf zu einem entsprechenden Positionspapier, das der Kleinen Zeitung vorliegt, liest sich eher wie eine vage Forderung. Konkreter könnten die ÖVP-Pläne im Herbst werden: Dann will die Volkspartei den "Zukunftsplan" des Kanzlers, an dem in der Parteiakademie gefeilt wird, präsentieren.

Arbeitende EU-Bürger sind Österreichern gleichgestellt

Die Spielräume, die Österreich bei der Kürzung der Sozialleistungen hätte, seien aber ohnehin gering, sagt Arbeits- und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal. EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, sind, was den Bezug von Sozialleistungen betrifft, österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Ähnliches gilt laut Unionsrecht für anerkannte Flüchtlinge. Wer noch auf die Entscheidung in seinem Asylverfahren wartet, hat auch jetzt keinen Anspruch etwa auf Sozialhilfe oder Familienbeihilfe. Bei dieser Gruppe "dürfen die Mitgliedstaaten die Leistungen so weit reduzieren, dass gerade noch ein menschenwürdiges Leben möglich ist", erklärt Walter Obwexer, Europarechtsexperte an der Uni Innsbruck.

Sonstige Drittstaatsangehörige mit einem Daueraufenthaltstitel müssen schon jetzt fünf Jahre in Österreich leben, bevor sie Anspruch auf Sozialleistungen im vollen Umfang haben. Dasselbe gilt für EU-Bürger, die nicht erwerbstätig sind. Diese beiden Gruppen wären die einzigen, bei denen Obwexer einen gewissen Spielraum für Verschärfungen ortet. Auch diesen Menschen müsse zwar nach EU-Recht ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden, das könnte aber etwa auch durch Sachleistungen gewährleistet werden.

EuGH kippte indexierte Familienbeihilfe

In der jüngeren Vergangenheit sind Versuche, Sozialleistungen für Ausländer einzuschränken, immer wieder gescheitert. Ende 2019 hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Kernpunkte der von ÖVP und FPÖ eingeführten "Sozialhilfe neu" auf, die Höhe der Bezüge darf nicht mehr an gute Deutsch- oder Englischkenntnisse geknüpft sein. Oberösterreich und Niederösterreich mussten daraufhin ihre entsprechenden Gesetze "reparieren".

Vom Europäischen Gerichtshof wurde im selben Jahr die ebenfalls unter Türkis-Blau eingeführte Indexierung der Familienbeihilfe gekippt: Arbeiteten EU-Bürger in Österreich, während ihre Kinder im Herkunftsland blieben, wurden geringere, an die dortigen Lebenserhaltungskosten angepasste Beträge ausbezahlt. Österreich musste den betroffenen Familien die Differenz zurückzahlen.
Nach wie vor aufrecht sind dagegen strenge Voraussetzungen bei der Wohnbeihilfe in Oberösterreich: Um diese zu erhalten, müssen Menschen gewisse Deutschkenntnisse nachweisen, seit mindestens fünf Jahre in Österreich leben und 54 Monate einer Erwerbsarbeit nachgegangen sein. Ein ähnliches Modell ist in Niederösterreich geplant.

Das nun vorliegende Positionspapier der ÖVP bezeichnet Mazal aber als "unausgegoren". Am ehesten würde es dazu dienen, einen Diskurs über Vorgaben bei Sozialleistungen auf EU-Ebene anzuregen. Die Grünen erteilten der türkisen Forderung bereits eine Absage.