Heute geht die Jugend wieder auf die Straße. Die Klimaschutzorganisation "Fridays for Future" ruft zum weltweiten Klimastreik. Hunderte Schülerinnen, Studierende und Lehrlinge werden den Protest für ihre Zukunft in ganz Österreich ausüben.
Doch der Kampf junger Menschen endet nicht bei der Klimakrise. Da sie sich in Ausbildung oder am Beginn ihres Erwerbslebens befindet, ist Österreichs Jugend von der Teuerung besonders stark betroffen, sagen die Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung (BJV), Julian Christian (JVP) und Sabrina Prochaska (Pfadfinder) im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Umfragen zeigen, dass es um die psychische Gesundheit von jungen Menschen schon vor der Coronapandemie schlecht stand. Politische Entscheidungen in der Gesundheitskrise waren nicht gerade vertrauensbildend. Fast drei Viertel der 24.000 befragten 16- bis 25-Jährigen gingen in der letzten Ö3-Jugendstudie im März 2022 davon aus, dass ihre Generation die Kosten von Corona ausbaden wird müssen.

Aber auch zwischen Corona, Krieg und Teuerung richten junge Menschen ihren Blick nach vorne: "Alt und Jung müssen jetzt gemeinsam an einer besseren Welt arbeiten" unterschreibt eine Mehrheit der jungen Menschen. Zurück zur Zeit vor der Pandemie will nur ein Drittel. Was sie ändern wollen:

Junger Wohnraum

Junge Menschen zieht es stärker in die Städte, wo sie zu größeren Teilen in befristeter Miete leben – und Wohnen als höchsten Ausgabenposten haben. "Die Pandemie hat die Einkommenssituation gerade von Niedrigeinkommensbeziehern belastet. Das sind aber überdurchschnittlich stark Jugendliche, die gerade in Ausbildung sind oder in den Beruf einsteigen", sagt der Meinungsforscher Günther Ogris (SORA).

Nun seien junge Menschen von der Teuerung besonders betroffen, sagt Christian und fordert daher eigene Hilfen – und etwa eine Ausnahme von der ORF-Haushaltsabgabe für junge Menschen. Grundsätzlich brauche es "jugendliche Raumplanung", sagt Prochaska. Neben konsumfreien Zonen gehöre dazu der Ausbau des leistbaren, öffentlichen Verkehrs und seiner Schnittstellen: "Wenn ich ein Klimaticket habe, will ich nicht für das Sammeltaxi zum Bahnhof zahlen müssen", sagt Prochaska.

Weniger Beruf, mehr Freizeit

Heute sind mehr junge Menschen berufstätig als noch in vorangegangenen Generationen, sagt Meinungsforscher Günther Ogris (SORA): Die Frauenbeschäftigung habe sich jener der jungen Männer angeglichen. Gleichzeitig sei Arbeit dichter geworden: "Wir sehen – vor allem Post-Corona – einen hohen Anstieg der Erschöpfungszustände."

Andererseits ist es jungen Menschen durch Pensionswellen möglich, Bedingungen zu stellen: "Wir haben für diesen Markt einen Wert", sagt Christian. "Wenn ich weiß, dass ich mir das Eigenheim im Grünen auch mit Vollzeitarbeit nicht mehr leisten kann, muss ich meine Prioritäten im Leben überdenken." Freizeit, Familie, Freunde und Ehrenamt gewinnen an Bedeutung, sagt Prochaska.

Der Meinungsforscher Ogris würde sich analog zur Ausbildungsgarantie bis 25 auch ein Recht auf das erste Berufsjahr wünschen. Die Gesellschaft solle von sich aus an Jugendliche herantreten und ein Jahr lang einen Job anbieten. Auch das Jugendcoaching sollte aus seiner Sicht ausgebaut werden.

Engagiert für eine grüne Zukunft

2022 bereitete der Klimawandel laut Ö3-Jugendstudie zwei Drittel der 16- bis 25-Jährigen Sorgen. "Es geht um die Lebensgrundlage, auf der wir junge Menschen aufbauen", sagt Prochaska. Dem von der BJV eingesetzten Klimajugendrat fehlen aber Reformen: Das Klimaschutzgesetz müsse "endlich auf Schiene gebracht", die Energiewende vorangetrieben und der Bodenverbrauch eingeschränkt werden.

Widerstand würden junge Menschen in der Wirtschaft und bei "gewissen Wählergruppen" sehen, sagt Prochaska. Die Politik solle "weniger auf die nächsten Wahlen schielen, sondern auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen". Immerhin würde die Jugend die Folgen des Klimawandels am längsten spüren.

Gesunkenes Vertrauen

Mangelndes Vertrauen in die Politik sei kein rein junges Problem, sagt Meinungsforscher Ogris: "Das untere Einkommensdrittel hat schon lange nicht mehr das Gefühl, dass seine Interessen berücksichtigt werden." Bei der Jugend kommt ein verändertes Medienverhalten hinzu: Junge Frauen informieren sich laut Christian eher über Social Media als über das Fernsehen. Fast zwei Drittel der Jungen vertrauen Medien nicht mehr. Die Bereitschaft, etwa für eine ORF-Haushaltsabgabe zu bezahlen, ist bei jungen Menschen daher besonders gering. Die BJV fordert, dass Menschen unter 25 von der "Jugendsteuer" ausgenommen werden.

Jugendarbeit und der Austausch in Vereinen könnten dem Vertrauensverlust in Politik und Medien sowie dem Aufstieg von Falschnachrichten entgegenwirken, sind sich Ogris und BJV einig. Immerhin zeigte eine SORA-Studie 2022, dass Jugendliche in Jugendorganisationen der Demokratie deutlich positiver gegenüberstanden, als der Rest ihrer Altersgruppe: "Ich glaube, dass das bei den Medien nicht anders sein wird", sagt Christian.

© © Wirkung der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit in Österreich (SORA im Auftrag der Bundesjugendvertretung, n=1053 Mitglieder &2015 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren, Befragung von Juni bis Juli 2022)

"Sobald Menschen zusammentreffen und sprechen, relativiert das den Einfluss der sozialen Netzwerke", sagt Ogris. Vor allem die gesellschaftlich und kulturell durchmischte offene Jugendarbeit helfe: "Der Punkt ist, dass man die Welt auch mit den Augen anderer sehen lernt, wenn man in so einer Gruppe ist."

Psychische Gesundheit

Schon vor dem Coronavirus hatte jeder vierte Jugendliche in Österreich unter depressiven Symptomen gelitten. Die Pandemie sei dann ein "Brennglas" gewesen, sagt Christian. 2021 litt laut einer Studie der Donau-Universität Krems bereits mehr als jeder zweite Schüler unter depressiven Symptomen, fast jeder Siebte hatte suizidale Gedanken.

Projekte wie "Gesund aus der Krise" würden helfen, heißt es aus der BJV. Ausreichen würde das aber bei Weitem nicht: Schon 2013 hatte die Liga für Kinder- und Jugendgesundheit davor gewarnt, dass 70.000 Kassentherapieplätze für Kinder und Jugendliche fehlen. Zehn Jahre später will sich die Politik dem Problem annehmen: Der Nationalrat hat erst diese Woche anlässlich des Mental-Health-Jugendvolksbegehrens beschlossen, mehr für die psychische Gesundheit junger Menschen tun zu wollen.