Gerald Fleischmann sprach jahrelang für Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Der ehemalige Leiter der Stabstelle Medien im Bundeskanzleramt steht im Verdacht, über das mutmaßlich kriminelle Beinschab-Österreich-Tool gewusst zu haben und selbst Studien im Interesse der ÖVP auf Kosten der Steuerzahler beauftragt zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Mit Bezug auf das laufende Verfahren will der frühere Pressesprecher heute aber keine Fragen unter Wahrheitspflicht im ÖVP-U-Ausschuss beantworten. Nicht einmal, was ein Leiter der Stabstelle Medien eigentlich so macht, wollte er der Verfahrensrichterin verraten. Immerhin gebe es offenbar einen zweiten Verfahrensstrang gegen ihn, der sich mit dieser Tätigkeit beschäftigt. Was ihm dabei genau vorgeworfen werde, wisse er nicht. Vorsitz führt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

"Ein Recht auf Schweigen hat er in einem Strafverfahren", nicht aber im U-Ausschuss, erklärte die Verfahrensrichterin nach mehr als zwei Stunden Befragungsdauer. Fleischmann versuchte dennoch, sich zur Frage, ob er Wahrnehmungen zu Aktenlieferungen des Bundeskanzleramts an den "Ibiza"-U-Ausschuss habe, zu entschlagen – obwohl diese Frage bereits mehrfach für zulässig erklärt wurde. Selbst Sobotka wurde zu seinem Parteifreund ruppig: "Wahrnehmungen, ja, nein?"

Fleischmann hat als Vertrauensperson seinen Rechtsanwalt Klaus Ainedter mitgebracht. Dieser vertritt ihn auch im gegen ihn laufenden Verfahren. Das hatte für Aufregung gesorgt, da Ainedter eine Kanzlei mit seinem Vater Manfred betreibt. Dessen Hilfe hatte sich auch die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher zur Seite geholt, da sie nicht wusste, dass Klaus Ainedter Fleischmann vertritt.

Umfragen im Fokus

Die vorangegangene Befragung war dafür spannender: "Was stört Sie an Sigrid Maurer?" Diese Frage findet sich in einem Fragebogen aus April 2020, der im Titel das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) anführt. Die Oppositionsparteien und die Grünen vermuten, ein zweites Umfrage-Tool der ÖVP auf Ministeriumskosten gefunden zu haben. Die ÖVP weist den Vorwurf zurück: Die Frage sei auf Kosten der Partei gestellt worden und nur vom Umfrage-Institut gleichzeitig abgefragt worden.

Die Opposition fragt auch am Aktenwagen
Die Opposition fragt auch am Aktenwagen © APA/HELMUT FOHRINGER

Auch der Geschäftsführer von "Demox Research", das die Umfrage durchführte, schloss am Vormittag im ÖVP-U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht aus, dass die öffentliche Hand über sein Institut Studien Dritter finanziert habe. Ergebnisse von Umfragen habe man anderen Auftraggebern nicht weitergegeben. Das "Malen von Unterstellungen" der Opposition würde für ihn einen Wettbewerbsnachteil als Unternehmer darstellen.

"Hintergrundvariable" Asylwerbende

Es gibt aber noch eine zweite Ebene: Tatsächlich ließen Landwirtschafts-, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium bei dem Demox offenbar auch ressortfremde Inhalte abfragen. Einzelne Fragestellungen – etwa dass das Agrarministerium nach Asylwerbern fragte oder das Wirtschaftsministerium nach "Kampfrhetorik" am 1. Mai – dürfe man nicht aus dem Zusammenhang reißen, findet der Meinungsforscher. Man müsse eine Umfrage stets gesamtheitlich betrachten.

Fragen nach der Arbeit der Opposition in der Coronakrise seien etwa "einzelne Fragen, die ein Gesamtbild übermitteln sollen". Solche Hintergrundvariablen seien ein "wesentliches Kontroll- und Analyseinstrument". Dass diese Hintergrunddaten dem Institut "zur weiteren Analyse bzw. Differenzierung bei der Auswertung der Ergebnisse für die identifizierten fachlichen Themen" dienen würden, betonte auf Anfrage auch das Landwirtschaftsministerium, das Demox seit 2018 mit rund 92.000 Euro beauftragt hatte. Aktuell gibt es aber keinen Auftrag des BMLRT an Demox.

Mit dem "Omnibus" Kurz oder Kogler abgefragt

Marktübliche "Omnibus-Umfragen", in denen die Fragen mehrerer Auftraggeber gleichzeitig abgefragt werden, habe man auch für Ministerien durchgeführt. Das würde Kosten für den Auftraggeber sparen, erklärt der Meinungsforscher. Die Ergebnisse der eigenen Fragen erhält der jeweilige Auftraggeber dennoch exklusiv, betont er. So geschehen etwa im Juni 2020: Auf einem Fragebogen von Demox, auf dem sich das Kürzel des Verteidigungsministeriums (BMLV) findet, wurde etwa die Frage gestellt, welche Partei man nächsten Sonntag wählen würde.

Und weiters: "Wenn Sie zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler entscheiden müssten: Wem würden Sie da Ihre Stimme geben?" Die Fragestellung habe ein Forschungsinstitut beauftragt, den Namen wollte er nicht nennen. Es sei aber nicht parteinah, so der Meinungsforscher. Das BMLV habe "nicht für andere Auftraggeber gezahlt und selbstverständlich exklusiv die Ergebnisse bekommen, die es bezahlt hat", betonte der Meinungsforscher. 

Nach einer Stehung muss er die Namen der anderen Auftraggeber dennoch nennen, medial sollen sie aber nicht wiederholt werden. Bei einem handelt es sich um ein Institut, das im Gesundheitsbereich tätig ist. Das andere gehört einem Meinungsforscher, der besonders viel für die ÖVP tätig ist. Die Abgeordneten werden wohl in letztere Richtung weiterfragen.

"Was stört Sie an Sigrid Maurer?"

Auch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) beauftragte Demox. In einem Fragebogen aus dem April 2020, dessen Titel das BMDW anführt, wurde gefragt, wen man nächsten Sonntag bei Nationalrats- oder Wiener Landtagswahlen wählen würde. Außerdem wurde allen, die kein gutes Bild von der Grünen-Klubchefin haben, die Folgefrage "Was stört Sie an Sigrid Maurer?" gestellt.

Zuvor hieß es an dieser Stelle, die Umfrage sei im Auftrag des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen (BEV) gewesen, nach mehr als vier Stunden Befragung wurde aber klargestellt, dass es sich hierbei um eine Abkürzung für "Bevölkerung" handelt.

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Laut ÖVP geschah auch dies im Rahmen einer Omnibus-Umfrage. Der Parlamentsklub (nicht die Partei, wie die ÖVP gegenüber der APA später richtig stellte) hatte diese Fragen auf eigene Kosten beim Meinungsforscher Franz Sommer in Auftrag gegeben, Demox führte die Feldarbeit durch. Dem Ministerium oder dem Bundesamt seien dadurch keine Kosten entstanden. Es wurde laut ÖVP dabei auch nicht nur nach Maurer, sondern allen Klubobleuten gefragt.

Bei den Kürzeln im Titel des Fragebogens handle es sich um eine "willkürliche", interne Bezeichnung durch Demox, die die Omnibus-Umfrage einem der Kunden zuordnen würden. Das ändere aber nichts daran, dass diese Fragen nicht von den Ministerien, sondern von anderen Kunden gestellt wurden, so auch der Meinungsforscher: "Kein Auftraggeber hat für einen anderen Kosten übernommen."

Wie kompetent ist Kurz?

Bereits vor der Gründung von Demox war dessen Geschäftsführer für diverse Ministerien als Mitarbeiter des Meinungsforschungsinstituts GfK tätig. So ließ das Außenministerium etwa 2014 die Zufriedenheit mit der Arbeit des damaligen Außenministers Kurz abfragen. Beauftragt dürfte die Umfrage der spätere Kanzler-Sprecher Gerald Fleischmann haben, Ansprechpartner bei GfK war der spätere Geschäftsführer von Demox.

GfK fragte später etwa für das Finanzministerium ab, wie "kompetent", "glaubwürdig" oder "sympathisch" Kern, Schelling, Doskozil, Mitterlehner oder Kurz wahrgenommen wurden, auch "Imageprofile" wurden angelegt.

Studien und Umfragen künftig öffentlich?

Der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger forderte heute Vormittag, künftig alle Umfragen, Studien und Gutachten von Ministerien und Ländern zu veröffentlichen – sofern dies nicht die nationale Sicherheit gefährde.

Das war bisher selten Praxis, teils ist es nicht einmal möglich: Zwei Beinschab-Studien wurden im Finanzministerium bereits seit Sommer 2020 – also über ein Jahr vor den Hausdurchsuchungen – vergeblich gesucht. Der U-Ausschuss erhält Umfragen von Demox aus den Ministerien teils nur in Stücken. Müssten die Umfragen online gestellt werden, würde das ein Ende finden.

Transparenz könnte auch dafür sorgen, dass parteipolitische Fragestellungen unterlassen werden – und die ÖVP könnte sich künftig den Verdacht der Opposition ersparen, sich auf Kosten der Steuerzahler einen Informationsvorsprung zu erkaufen.