Wer die Grenze von Österreich nach Bayern überquert, merkt sofort den Unterschied: Während hierzulande weite Wiesen und Felder die Autobahn säumen, stehen dort schon seit Jahren riesige Freiflächen-Photovoltaikanlagen – und kaum ein Hof, der nicht mit Solarpaneelen sein Dach gedeckt hat.

Die Geschwindigkeit, mit der der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung voranschreitet, ist viel zu gering, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erfüllen. Allein die Photovoltaik soll bis 2030 elf Terawattstunden mehr Strom produzieren als 2020, so sieht es der Plan der türkis-grünen Koaliton vor, 2030 Österreich komplett mit erneuerbarem Strom zu versorgen. Elf Terawattstunden mehr, das hieße, dass jedes Jahr so viel Strom aus Solaranlagen dazukommt, wie von 2012 bis 2020 insgesamt gebaut worden ist.

Dieser Ausbau – und jener von Strom aus Windkraft (10 Terawattstunden), Wasserkraft (5) und Biomasse (1) – ist Voraussetzung für die Klimastrategie: E-Autos werden ebenso mehr Strom brauchen wie Heizung ohne fossile Brennstoffe, saubere Industrie usw.

Das Gesetz lässt auf sich warten?

Ob diese Ziele gelingen – und damit auch, wie Österreich auf Jahrzehnte landschaftlich ausschauen wird –, hängt von einem Gesetz, das es schon seit Jahresbeginn geben sollte: dem Erneuerbaren Ausbaugesetz, kurz EAG. Es enthält die Ziele, Rahmenbedingungen und Bau solcher Anlagen und, am wichtigsten, komplexe neue Förderrichtlinien für Solar, Wind, Wasser und Biomasse.

Nur: Das Gesetz, an dem schon seit Jahren geschraubt wird, gibt es immer noch nicht. Zuerst musste sich die Koalition einigen, dann hatte die EU-Kommission Anmerkungen – und jetzt liegt das Gesetz (für das es eine Zweidrittelmehrheit braucht) im Parlament, wo die Koalition auf die Stimmen der SPÖ angewiesen ist.

„Wir haben schon ein halbes Jahr verloren“, sagt Stefan Moidl, Geschäftsführerin der IG Windkraft: Schon seit eineinhalb Jahren stünden für neue Projekte keine Förderungen mehr zur Verfügung, Gemeinsam mit anderen Branchenvertretern drängt Moidl seit Wochen auf einen schnellen Beschluss des Gesetzes. Im Vorjahr sei die Summe der Windstrom-Produktion sogar gesunken, weil kaum Anlagen gebaut, aber einige stillgelegt worden waren.

Einigung vor der Sommerpause

Auch im Solarbereich bremst die Verzögerung den Ausbau: 6500 lägen fertig genehmigt bereit und würden in dem Moment errichtet, in dem der Förderrahmen klar sei, sagt Vera Immitzer vom Verband Photovoltaic Austria. Auch Gerda Holzinger-Burgstaller, Vorstandsvorsitze der Erste Bank, die im Vorjahr Erneuerbaren Projekte im Umfang von 210 Millionen Euro finanziert hat, drängt auf die Schaffung stabiler Rahmenbedingungen.

Im Parlament seien die großen sachlichen Fragen der Erneuerbaren-Förderung schon erledigt, heißt es aus Verhandlerkreisen zur Kleinen Zeitung. Das letzte Hindernis ist die Kostenseite: Die SPÖ würde den Ökostrom-Beitrag pro Haushalt gerne auf 100 Euro im Jahr gedeckelt sehen – so viel zahlt ein durchschnittlicher Haushalt aktuell im Jahr etwa, der Betrag soll durch das EAG um rund 20 Euro jährlich steigen.

Das hieße aber, dass die fehlende Summe für die Erneuerbaren-Förderung aus dem Budget kommen muss – was die Koalition vermeiden will, weil es hieße, dass der Ausbau erst wieder vom politischen Willen der jeweiligen Regierung abhängig wäre. Und das würde die eingeforderte Planungssicherheit zunichtemachen.
In den nächsten Tagen wird jedenfalls intensiv um einen Kompromiss (der für alle Seiten „in Griffweite“ scheint) gerungen: Wenn das Gesetz nicht in der letzten Nationalratssitzung vom 7. bis 9. Juli beschlossen wird, vergehen wieder wertvolle Monate – Zeit, die auf dem Weg zu den Klimazielen verloren wäre.

Erratum (23.6.): Der Geschäftsführer der IG Windkraft heißt tatsächlich Stefan Moidl - nicht Loidl, wie ursprünglich berichtet. Wir bedauern- - gr