Stellvertretend für die Justiz hat sich am Montag Justizministerin Alma Zadic (Grüne) für die strafrechtliche Verfolgung von homosexuellen Menschen in Österreich in der Zweiten Republik entschuldigt. "Ich möchte mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, ausdrücken", sagte sie. Anlässlich des "Pride Month" vom 11. bis 24. Juni kündigte die Ministerin auch die Schaffung einer Gedenkmöglichkeit an.

Bis 1971 gab es in Österreich ein Totalverbot für einvernehmliche, homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen. "Unzucht wider die Natur" wurde mit bis zu fünf Jahren "schwerer Kerker" bestraft. Zwischen 1955 und 1971 wurden rund 25.000 Menschen verurteilt.

Danach wurden gleichgeschlechtliche homosexuelle Handlungen schrittweise legalisiert - allerdings "zögerlich und langsam", wie Zadic kritisierte. Erst seit dem Jahr 2002 sind gleichgeschlechtliche Handlungen unter Erwachsenen endgültig entkriminalisiert.

Eine Lebenspartnerschaft dürfen homosexuelle Paare in Österreich allerdings erst seit 2009 eingehen. Seit zwei Jahren steht ihnen die Ehe offen. "Für diese Fortschritte ist nicht die Politik verantwortlich, sondern der Verfassungsgerichtshof", sagte Zadic.

Entschuldigung aber keine Entschädigung

Im Großen Schwurgerichtssaal am Wiener Landesgericht mahnte die Zadic einen ehrlichen Umgang mit der Vergangenheit ein. "Als Justizministerin möchte ich mich stellvertretend für die Justiz in aller Form bei diesen Menschen, die in der Zweiten Republik aufgrund ihrer sexuellen Orientierung strafrechtlich verfolgt wurden, und bei allen Angehörigen aufrichtig entschuldigen", sagte die Ministerin in einer Rede. "Diese Menschen wurden von Institutionen, die sie eigentlich hätte schützen sollen, in ihrer Würde und in ihrem Menschsein verletzt", sagte Zadic. Sie entschuldige sich auch für das "lange Schweigen" der Justiz. Von Entschädigungszahlungen oder Restitutionen war allerdings keine Rede.

Zadic kündigte die Schaffung einer Gedenkmöglichkeit an. "Wir müssen aus der Geschichte lernen und das kann nur gelingen, wenn wir uns ihr stellen und uns aktiv erinnern. Daher werden wir - unter Einbindung der Vertreterinnen und Vertreter der LGBTIQ-Community - eine würdige Gedenkmöglichkeit für die in der Zweiten Republik zu Unrecht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Verfolgten schaffen", sagte Zadic.

Justiz soll Fortschritt vorantreiben

Der Präsident des Landesgerichts Wien, Friedrich Forsthuber, dankte der Ministerin für die Initiative. "Sie setzten damit ein wichtiges Zeichen für die Bedeutung einer offenen Gesellschaft im demokratischen Rechtsstaat." Zadic strich den Einsatz von Menschenrechtsanwältinnen und -anwälten hervor, die durch Klagen Gesetzesänderungen erwirkt haben. "Die Justiz hat eine besondere Verantwortung zeitgemäß zu agieren, Geschlechterrollen aufzubrechen und den Wandel zu einer vielfältigen, freien Gesellschaft voranzutreiben", so Zadic.