Ein Jahr lang hat Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) sondiert: Er tourte durch die Lande, redete mit Gott und der Welt und ließ eine "Taskforce Pflege" den Handlungsbedarf erheben.

Der Bericht dieser "Task Force" liegt jetzt auf dem Tisch. Ziel und Maßnahmen, penibel aufgelistet. Der nächste Schritt: Anschober will mit Trägern und Betroffenen, vor allem aber mit den politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen Gespräche darüber aufnehmen, wie man die Pflege auf neue Beine stellen kann. Eine sogenannte "Zielsteuerungskommission", in der Bund, Länder, Städte und Gemeinden vertreten sein, soll die Umsetzung sicherstellen.

Das sind die Punkte, wo's weh tut, und so will die Regierung darauf reagieren:

Voneinander lernen

Neu heißt nicht zurück zu Adam und Eva: In den vielen Gesprächen wurde Anschober widergespiegelt, dass "vieles auch gut läuft". Das Problem: Es ist ein Fleckerlteppich quer durch Österreich. Eine österreichweite Koordinierung könnte darauf hinauslaufen, dass man voneinander "abschreibt" und gute Modelle übernimmt. Gleichzeitig scheint das Ziel nicht zu sein, alles und alle über einen Leisten zu scheren. "Vielfalt" soll gewährleistet bleiben, die Qualität aber für alle auf demselben Niveau gesichert sein.

Angebote vermitteln

Die Voraussetzung für die Verantwortlichen: Das Wissen um all das, was es gibt, um das Angebot optimieren zu können. Das Eingangstor für die Betroffenen: funktionierende "Drehscheiben", die Angebot und Nachfrage zueinanderbringen. Ein systematisches "Case Management" ist das Ziel, die Vermittlung genau jener Leistungen, die die Betroffenen brauchen, um den Alltag zu bewältigen. Und eine aus dem tatsächlichen Bedarf resultierende Planung als Basis für den Ausbau der Angebote.

Pflegekräfte Ausbilden

Neun Länder hieß bisher neun verschiedene Systeme - und damit auch unterschiedlich hohe Qualität. Stichwort Pflegestiftung für Arbeitslose, die sich in einem Pflegeberuf ausbilden lassen - einer Sparte, in der Arbeitskräfte händeringend gesucht werden. In einzelnen Ländern gab es eine solche Stiftung schon, beispielsweise in der Steiermark. In anderen Ländern orientiert man sich gerade am guten Beispiel, etwa in Wien. In den Ländern wurde vielfach der Wunsch laut, diese Stiftung auf Bundesebene zu verankern.

In anderer Hinsicht wieder könnte Wien Vorreiter sein: Gestern präsentierte man in Wien ein neues "Online-Selbsteinschätzungstool", das Interessenten dabei helfen soll, zu erkennen, ob sie für den Pflegeberuf tatsächlich geeignet sind und den Belastungen auch standhalten können. Nur der Anfang einer Neuorientierung, aber eine wertvolle Orientierungshilfe. Nichts spricht dagegen, dieses Tool österreichweit zugänglich zu machen.

Beruf attraktiver machen

Stichwort Pflegepersonal: Das ist der Knackpunkt im System. Zu wenige Pflegekräfte, zu schlechte Arbeitsbedingungen, zu hohe Belastungen. Zu viele, die man für den Beruf begeistert, steigen über kurz oder lang wieder aus. Der Beruf soll attraktiver gemacht werden, wobei betont wird, dass es dabei nicht nur ums Finanzielle geht.

Was der Bericht ausweist: Auf dem "lebensphasengerechten Arbeiten" soll ein neuer Schwerpunkt liegen, auf der Vereinbarkeit etwa zwischen Familie und Beruf, oder Entlastung mit steigendem Alter (der Pflegekraft). Wovon im Bericht nicht die Rede ist: Interessensvertretungen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit die Belastungen erträglicher machen würde und gleichzeitig auf einen höheren Stundenlohn hinauslaufen würde. Über die freiberufliche Pflege soll eine zusätzliche Spezies an Pflegekräften geschaffen werden, die vielleicht auch hilft, die Randzeiten etwa in der 24-Stunden-Betreuung besser abzudecken.

Die 24-Stunden-Betreuung ist ein Dauer-Sorgenkind. Nicht zuletzt das Corona-Jahr hat sichtbar gemacht, wie sehr Österreich hier auch abhängig von Pflegekräften aus dem Ausland ist und wie dringend diese Pflegekräfte einer wertschätzenden Behandlung bedürfen.

Mobil vor stationär

Mobile Betreuung vor stationärer Pflege: Dieses Credo schreiben Politiker aller Länder und Couleurs seit Jahren auf ihre Fahnen. Mit endenwollendem Erfolg. Einer der Gründe: Für die Heime wurde der Regress abgeschafft, für die mobile Pflege gilt er nach wie vor. Viele Betroffene wählen den Weg ins Heim, um das Erbe der Kinder und Enkel zu schonen. Damit wird das politische Ziel vereitelt, dass jeder Mensch in Würde altern darf, dass er auch in den eigenen vier Wänden so leben darf wie er will - und mit entsprechender Unterstützung noch kann.

Das Burgenland, Kärnten und die Steiermark - das sind die drei "ältesten" Bundesländer Österreichs. Entsprechend viele Menschen sind auch in stationärer Pflege. Eine Folge davon war übrigens auch, dass in der Steiermark viel später als in anderen Ländern mit der Impfung der über 80 Jahre alten Menschen, die noch zu Hause wohnen, begonnen werden konnte. Zuerst kamen die Heime dran.

Gegen die Einsamkeit

Die Einsamkeit der Älteren, vor allem aber auch die Einsamkeit der pflegenden Angehörigen - sie spielt im Bericht der "Taskforce Pflege" eine besondere Rolle. Eine speziell betroffene Gruppe sind die Demenz-Patienten und ihre Angehörigen. Hier kommen auch Nachbarschaftshilfe und Freiwilligen-Engagement ins Spiel, die an die bestehenden Sorge-Netzwerke gut angebunden werden sollen. Ein Teil dieses Netzwerkes sollen auch Hausbesuche sind, mit Blick auf die Gesundheits-Prävention. Am (Lebens-) Ende steht die Palliativ-Betreuung, die derzeit regional sehr unterschiedlich funktioniert. Sie soll bundesweit ausgerollt und in die Regelfinanzierung aufgenommen werden.

Apropos Finanzen: Der Zugang zum Pflegegeld soll verbessert und für alle Österreicherinnen und Österreicher sichergestellt werden, hier gibt es in der Praxis noch gewaltige Unterschiede. Und für Dienstleistungen in der Pflege soll ein bundesweiter Leistungskatalog mit einheitlichen Begriffen und Leistungen festgelegt werden, als Grundlage für ein Rahmen-Tarifssystem, an dem sich alle orientieren.