Es ist zwischen ein und zwei Uhr in der Nacht auf Montag, als sich Beamte aus den verschiedensten polizeilichen Sondereinheiten sowie Bundes- und Landesämtern in der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Wien zusammenfinden und bewaffnen. Was wenig später folgt, ist ein „konzertierter Großeinsatz“ der Polizei im „Kampf gegen den Terror“, wie es Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Stunden nach Einsatzbeginn vor der Presse nennen wird.

Die Razzia, bei der 60 Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden, hatte sich auf Vereine und Personen mit Verbindung zur Muslimbruderschaft und zur Hamas konzentriert. Gegen 70 Beschuldigte wird unter anderem wegen des Verdachts auf Bildung einer Terrororganisation, Terrorfinanzierung und Geldwäsche ermittelt. 930 Beamte durchkämmten Vereinslokale und Wohnungen, 30 Personen wurden zur sofortigen Einvernahme abgeführt.

Ein Jahr Vorbereitung

Die Vorbereitungen für den Einsatz liefen seit einem Jahr, Ermittler und Staatsanwaltschaft Graz arbeiteten hier eng zusammen. Für Einsätze wie diese gibt es ein genaues Protokoll, wie bei der Planung einer Großveranstaltung werden ein entsprechender Einsatzstab gebildet, Aufgabenbereiche abgesteckt und verteilt und Einsatzpläne erstellt. 21.000 Stunden Observation wurden im Zuge der Operation durchgeführt. Stattfinden sollte der Zugriff bereits heute vor einer Woche, alle Einsatzkräfte standen bereit.

Doch der Terroranschlag am vergangenen Montag änderte die Lage. Bereits kurze Zeit nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt entschieden Stableitung und Staatsanwaltschaft, den Einsatz abzublasen. Einige Beamte erfuhren das erst, als ihr Wecker in der Nacht für den Einsatz klingelte.

Maulwurf?

Während am vergangenen Dienstag nach einem neuen Datum gesucht wurde, meldeten Medien, dass eine Razzia geplant war. Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nannte bei einer Pressekonferenz sogar den Namen der geplanten Operation – „Ramses“. Im Einsatzstab wurde es unruhig, ein möglicher Maulwurf im Team wurde diskutiert.

Dass der Zugriff bereits eine Woche nach dem Terrorangriff, mit dem er laut Behörden in keiner Verbindung steht, durchgezogen wurde, sei auch diesen öffentlichen Meldungen geschuldet gewesen, heißt es aus Polizeikreisen. Zudem sei in den Medienberichten stets von Razzien in Wien die Rede gewesen – und nicht von Einsätzen in der Steiermark und Kärnten. Die Operation wurde also durchgeführt – unter dem neuen Codenamen „Luxor“.

Derzeit sortieren die Ermittler die sichergestellten Unterlagen und Gegenstände, man versucht nun, Zusammenhänge und Verbindungen zu beleuchten. Die Aufarbeitung dauert, da der Großteil des Materials Arabisch beschriftet ist und dafür Übersetzer herangezogen werden müssen. Die Ermittlungen seien in vollem Gange.

Ärger über Nehammer

Dass im Zuge der Großrazzia wieder positiver über die Arbeit des Verfassungsschutzes, der hier federführend war, berichtet wird, kann einige Beamten im Wiener Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) nicht besänftigen. Dort macht sich zunehmend Unmut über den Innenminister breit, der die Behörde mit ungerechtfertigten Schuldzuweisungen seit Tagen in Misskredit bringe. Das hierarchisch übergeordnete BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz) sei über die einzelnen Ermittlungsschritte zum späteren Täter informiert gewesen, die Landesbehörde könne gar nicht, wie dargestellt, abseits vom Wissen der dem Minister unterstellten Bundesbehörde agieren. Zitieren will sich damit aber niemand lassen. Zu groß sei die Angst um den eigenen Job, die Stimmung im Haus sei angespannt.

Denn: Interne Ermittlungen sollen nun der Frage nachgehen, warum die Observation des späteren Attentäters eingestellt wurde – obwohl sich dieser mit mutmaßlichen Dschihadisten aus der Schweiz und Deutschland zum Sightseeing in Wien getroffen hatte und der Verfassungsschutz davon wusste.