Die Corona-Pandemie offenbart die Problemstellen in den regionalen Gesundheitssystemen Österreichs – das zeigt der vierte Teil der Philips Austria Studie neben neuen Erkenntnissen rund um das Gesundheitswesen Österreichs sowie der Lage des ambulanten Sektors. Die Politik sollte das System stärken, um die Gesundheitsversorgung effektiver zu gestalten und auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein, denn: Österreichs Rang bei der Vorbereitung auf Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit ist im internationalen Vergleich schwach.

Die gesamte Studie ist hier nachzulesen.

Die Autorin und Geschäftsführerin von Health Systems Intelligence,  Maria Hofmarcher-Holzhacker, hat in ihrer Studie einen besonderen Fokus auf die Auswirkungen durch die Corona-Krise und den ambulanten Sektor gelegt. "Die Pandemie hat gezeigt, wo es im System hakt."

Mit 29 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner ist Österreich vergleichsweise gut auf die Behandlung schwer Kranker vorbereitet. Auch die Infektionsbekämpfungsstrategie der österreichischen Regierung war im OECD-Vergleich gut, wie auch die Studie zeigt. Die nahezu vollständige Sperrpolitik in Österreich hat die Ausbreitung der Epidemie wirksam eingedämmt. Gleichzeitig ist Österreichs Rang bei der Vorbereitung auf Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit im internationalen Vergleich schwach. Dies zeigt sich insbesondere in fehlender Regulierung zur Koordination zwischen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheitsbehörden, aber auch in Bezug auf die Notfallkommunikation mit Mitarbeitern des Gesundheitswesens.

Herausforderungen:

Risiko steigt mit Arbeitslosigkeit

Für die Studie haben Hofmarcher-Holzhacker und ihr Team auch untersucht, ob sich sozioökonomische Faktoren auf die Ausbreitung und den Verlauf von Corona-Erkrankungen auswirken – zumal andere Studien darauf hinweisen. Für Österreich konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Lebenssituation der Menschen und dem Infektionsrisiko (Zahl der Fälle pro 100.000 Einwohner) oder der Sterblichkeit (Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner) auf Bezirksebene festgestellt werden. Allerdings hängt das Infektionsrisiko der Bevölkerung eines Bezirkes signifikant mit der dortigen Arbeitslosenquote zusammen – wobei die Analysen in Österreich auf vergleichsweise niedrigen Fallzahlen basieren. 

Frauen stärker betroffen

Frauen sind stärker von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen und bei den Krisenbewältigungsprogrammen benachteiligt. Da der Frauenanteil in den besonders betroffenen Sektoren Gesundheit, Bildung, Gastronomie und Kultur höher ist, sind nun besonders viele Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen. Analysen für Österreich schätzen, dass den Frauen nur 40 % des österreichischen Konjunkturpaketes zugutekommen werden.

Herausforderungen:

"Studien zeigen, dass öffentliche Investitionen in Gesundheit und Pflege von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu einer Steigerung der Gesamtbeschäftigungsquote von mindestens 2 Prozentpunkten in der ganzen EU-28 führen würden", so Hofmarcher-Holzhacker. Damit würde ein größerer Beschäftigungsanreiz erzielt werden, als es beispielsweise in der Baubranche der Fall ist, und Frauenbeschäftigung verstärkt gefördert. Grob geschätzt werde das Gesundheitswesen in etwa 4,2 Milliarden Euro benötigen, wenn man die geschätzten Einnahmeausfälle für 2020 hinzuzähle.

Für die Zukunft benötigt das Gesundheitswesen einen Covid-19-Fonds, um sich aus der Krise "herauszufinanzieren".

Zu wenige Pflegekräfte

Der Transformationsprozess des Gesundheitssektors von mehr ambulanter und weniger stationärer Versorgung steht erst am Anfang. Bei sehr hoher Dichte von Ärzten war mit 713 Pflegepersonen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2018 deutlich weniger Personal verfügbar als in vergleichbaren europäischen Ländern, wie Deutschland (1.351 Personen) oder Dänemark (1.046 Personen). Zudem ist die Personaldichte seit 2008 kaum gestiegen und das gesamte nicht-medizinische Gesundheitspersonal nicht adäquat eingesetzt

Besonderes Augenmerk müsse in der Gesundheitspolitik auch der Kassenmedizin gewidmet werden: "Wird mehr den Wahlärzten überlassen, steigen die privaten Ausgaben", so die Studie.

12% der Todesfälle vermeidbar

Für 2018 zeigt die Studie, dass 10.069 oder 12 % aller Todesfälle (83.975) in Österreich nach OECD-Definition in die Kategorie der vermeidbaren Todesfälle fallen. Einige Todesursachen könnten dabei eher durch Prävention, andere durch Behandlung vermieden werden.

Die Mortalität, die durch Präventionsmaßnahmen vermeidbar gewesen wäre, zeigt ein zum Gesamtindikator fast identisches Bild. Krebserkrankungen und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems machen die Hälfte aller Fälle aus, gefolgt von Verletzungen und Todesfällen im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen. Auch die Entstehung von chronischen Krankheiten wird durch mangelhafte Prävention begünstigt.