In Österreich wird oft über die schleichende jährliche Zusatzbelastung der Bürger durch die "kalte Progression" geklagt. (Darunter versteht man den Effekt, dass man Teile von Lohnerhöhungen sofort wieder verliert, weil man in eine höhere Steuer-Tarifstufe vorrückt.) Der Umstand, dass die neue Regierung nicht einmal mehr angekündigt hat, diese verdeckte jährliche Steuererhöhung zu beseitigen, sorgte zuletzt für Unmut.

Doch es gibt einen Trost: Die zuletzt beschlossenen und in naher Zukunft geplanten Reformen dürften den Menschen in Summe so viel Geld bringen, dass der Progressions-Nachteil unter dem Strich nicht nur wettgemacht wird, sondern sich die Gesamtrechnung sogar zugunsten der Steuerpflichtigen ausgeht.

Netto mehr im Börserl

Konkret sollen laut einer Studie der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW, Innsbruck) die Erträge um 1,8 Milliarden Euro höher sein als die Verluste. Diese Rechnung geht sich aber nur mit folgenden Einschränkungen:

* Es wurde der "Gesamteffekt" vieler verschiedener politischer Maßnahmen aus den Jahren 2017 bis 2021 berechnet. Es wurden also bereits umgesetzte Schritte von Türkis-Blau mit geplanten Schritten von Türkis-Grün zusammengeworfen.

* Die Rechnung gilt für die Gesamtheit der Steuerzahler. Sie sagt aber natürlich nichts über Einzelschicksale aus. Allerdings rechnet die Studie ziemlich genau vor, welche Gruppe wie ent- oder belastet wird (siehe unten).

Progression frisst 7,7 Milliarden

Der Effekt der kalten Progression wird in den fünf untersuchten Jahren insgesamt mit 7,7 Milliarden Euro angegeben. Dem stehen Entlastungen von insgesamt 9,46 Milliarden gegenüber, sagt die Expertise, an der neben der GAW auch das Wiener Institut WPZ Research mitgearbeitet hat.

Die Entlastungen

Einberechnet wurden nicht nur der "Familienbonus" und die für 2021 angekündigte Tarifreform in der Lohnsteuer, sondern auch mehrere andere Maßnahmen: die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für geringe Einkommen (Sommer 2018); der Sozialversicherungsbonus für Geringverdiener, Pensionisten und Selbstständige (ab 2020); die Erhöhung der Mindestpensionen sowie die überproportionale Erhöhung kleiner Pensionen (ebenfalls für 2020).

Im Detail zeigt die Studie wenig überraschend, wer am günstigsten aussteigt: Familien sind besser dran als Kinderlose, Gutverdiener profitieren stärker als Geringverdiener. Der beste Fall liegt dann vor, wenn man unterhaltsberechtigte Kinder hat und das Familieneinkommen so hoch ist, dass sich der Familienbonus bei der Zahllast der Einkommensteuer voll auswirkt.

Konkrete Rechenbeispiele

So wird beispielsweise ein Alleinverdiener mit zwei Kindern und 1.500 Euro Bruttoverdienst im Zeitraum 2017-2021 insgesamt um 3.288 Euro entlastet, während die kalte Progression ihm 1.110 Euro wegfrisst. Hat dieser Alleinverdiener aber 4.000 Euro Monatsbruttoeinkommen, so sieht die Rechnung noch weit günstiger aus: Die kalte Progression nimmt ihm 2.258 Euro weg, während er von den Entlastungen mit 9.850 Euro profitiert.