(Nieder)Österreich macht internationale Schlagzeilen - und zwar nicht die Sorte, die man von sich gerne liest: "Austrian State May Require Jews to Register to Buy Kosher Meat", titelt zum Beispiel die israelische "Haaretz". Auch in Österreich schlägt die Angelegenheit, aufgekommen durch einen Blogeintrag der "Wiener Zeitung", Wellen: SPÖ-Chef Christian Kernfordert den Rücktritt des zuständigen Landesrates Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und fühlt sich an "die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte" erinnert. Die FPÖ verteidigt sich postwendend: Waldhäusl vollziehe hier nur Vorgaben, die sein Vorgänger in der niederösterreichischen Proporzregierung, Maurice Androsch von der SPÖ, ausgegeben habe.

Tatsächlich handelt es sich aber um eine Geschichte, mit der sowohl Waldhäusl als auch Androsch eigentlich nur wenig zu tun haben: Auch wenn die FPÖ auch vor der niederösterreichischen Landtagswahl mit einem Verbot des Schächtens kampagnisiert hat, geht die aktuelle Diskussion ausschließlich auf routinemäßige Verwaltungsakte in der Natur- und Tierschutzabteilung des Landes zurück, für die die beiden (bis Ende 2017 Androsch; seit nach der Landtagswahl im März Waldhäusl) politisch verantwortlich sind.

So wenig Schächtungen wie möglich

Aber von vorne: Beim Schächten handelt es sich um eine Art des Schlachtens, die im Judentum und im Islam vorgeschrieben ist: Den Tieren wird dabei die Halsschlagader durchtrennt, um sie ausbluten zu lassen. Während Tierschützer (auch, aber nicht nur mit Rückenwind juden- und islamfeindlicher Gruppen) für ein Totalverbot eintreten, argumentieren Vertreter der Glaubensgemeinschaften mit Religionsfreiheit.

Der Kompromiss, der in Österreich seit 2004 im (einstimmig beschlossenen) Tierschutzgesetz in § 32 Absatz 3, 4 und 5 verankert ist, erlaubt die rituelle Schächtung unter strengen Bedingungen (und Auflagen wie dass das Tier sofort nach dem Schächtschnitt betäubt werden muss). Deren erklärtes Ziel findet sich schon in den Erläuterungen zum Tierschutzgesetz:

"Die Bestimmungen des § 32 sollen sicherstellen, dass rituelle Schlachtungen nur im unbedingt notwenigen Ausmaß im Rahmen der Religionsausübung anerkannter Religionsgemeinschaften und unter geringstmöglicher Belastung für die zur rituellen Schlachtung bestimmten Tiere durchgeführt werden."

Anders gesagt: Es sollen möglichst wenige Tier durch Schächtung geschlachtet werden. Wer schächten will, braucht eine Ausnahmegenehmigung, einen Bescheid, den er in einem Verwaltungsverfahren beantragen muss. Die Verwaltung dieses (bundesweiten) Tierschutzgesetzes liegt bei den Bundesländern - was uns nach Niederösterreich bringt.

Bedarf muss erhoben werden

Hier hat die zuständige Abteilung des Amtes der Landesregierung am 20. September 2017 - damals war Androsch als Landesrat dafür zuständig - ein "Informationsschreiben" an die Bezirkshauptmannschaften und Magistrate ausgeschickt; jene Behörden, bei denen Schlachter die Ausnahmegenehmigung beantragen. Darin enthalten: eine um die Judikatur zum Thema aktualisierte Anleitung, was die Behörde konkret prüfen muss, um die Genehmigung zum Schächten zu erteilen.

Darin enthalten war folgende Passage:

Schon hier steht im Zentrum der Anweisung, dass der Bedarf an durch Schächtung gewonnenem Fleisch nachgewiesen werden muss - mit dem Ziel, so wenige Tiere wie nur unbedingt notwendig zu schächten. Ein Antragsteller muss also irgendwie belegen, dass er auch Abnehmer für dieses Fleisch hat, die es aufgrund ihrer Religion unbedingt benötigen.

Noch nicht enthalten war in diesem Erlass, wie ein solcher Beweis zu erfolgen hat - aber schon damals beginnen Schlachter, in Verfahren Listen mit Namen und Bekenntnisnachweis ihrer Abnehmer einzureichen, heißt es vonseiten des Landes.

Gericht will konkrete Bezieher

Konkreter wird es in einem Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht, das Ende März 2018 einen Beschluss fasst, wie genau die Behörden den Bedarf an geschächteten Fleisch erheben müssen:

Demnach muss die Behörde im Beweisverfahren einen konkreten Bedarf spezifischer Personen erheben - inklusive einer Begründung, warum diese aufgrund religiöser Regeln gezwungen sind, solches Fleisch zu benötigen - bevor sie eine Bewilligung zum Schächten erteilen darf. Eine Auslegung ganz im Geiste der Erörterungen zum Tierschutzgesetz, das die Zahl geschächteter Tiere so gering wie unbedingt nötig halten will.

Landesregierung passt Vorschriften an

Die Beamten der Landesregierung nehmen das ernst - und schicken auf dieser Basis unter anderem jenes Schreiben an die Israelitische Kultusgemeinde aus, das jetzt für solche Aufregung sorgt:

Darin steht, dass jeder, der schächten will, seinem Antrag auch den Bedarf beweisen muss, indem er jene Personen nennt, für die das Fleisch bestimmt ist - und warum das für sie religiös zwingend ist.

Alle diese Schreiben sind von Beamten unterfertigt, kommen nicht aus dem Büro der zuständigen Landesräte, sondern aus dem Verwaltungsapparat. Auch wenn Androsch und Waldhäusl politisch zuständig sind, versichern mehrere involvierte Personen im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung", dass keine dieser Aktionen politisch motiviert gewesen sei, sondern rein verwaltungsjuristisch.

Zentrale "Liste" nicht geplant

Was heißt das nun konkret? Eine zentrale Liste von Juden und Muslimen, wie es manche befürchten, ist auch entlang dieser Richtlinien nicht vorgesehen - die Auflistung von Abnehmern aus Schächtung gewonnenen Fleisches wird jeweils in den Akten zu einzelnen Anträgen auf die Ausnahmegenehmigung enthalten sein (wo sie dem Amtsgeheimnis unterliegen).

Gut möglich allerdings, dass sich das Verfahren noch ein wenig ändert. Der mächtige Klubobmann der ÖVP Niederösterreich, Klaus Schneeberger, der sich der Sache angenommen hat, erklärte gegenüber Ö1, es werde der Judikatur wegen eine Art Registrierung geben müssen. "Wir arbeiten an einer praxisnahen Lösung. Ich wäre jetzt überfordert, ihnen diese Lösung zu sagen, wie sie aussieht. Die Sensibilität der Thematik macht es schwierig."

Die genannten Dokumente zum Download:

Das Schreiben der an die Behörden 216.10 KB

Schreiben an die Behörden 11/17