Geht es nach ÖVP und FPÖ, könnte Österreich im Fall einer schwarz-türkis-blauen Regierung künftig mehr direkte Demokratie bekommen. Für die Freiheitlichen ist ein Mehr an Mitbestimmung für die Bürger sogar ein zentraler Punkt bei den Koalitionsverhandlungen, wie FPÖ-Politiker zuletzt immer wieder erklärten.

Die Republik Österreich hat derzeit drei direktdemokratische Instrumente:

  • die Volksabstimmung
  • die Volksbefragung
  • das Volksbegehren

Überbordend genutzt wurden diese Möglichkeiten - sieht man von diversen Volksbegehren ab - in der Zweiten Republik bisher nicht.

Volksabstimmung

Volksabstimmungen sind bindend und beziehen sich auf Gesetzesentwürfe. Bisher gab es erst zwei: 1978 lehnte eine hauchdünne Mehrheit das geplante Atomkraftwerk im niederösterreichischen Zwentendorf ab, das damit trotz weit fortgeschrittenem Bau nie in Betrieb ging. 1994 stimmten 66 Prozent der Österreicher dem Beitritt zur Europäischen Union zu.

Volksbefragung

Volksbefragungen sind unverbindlich und haben nur empfehlenden Charakter. Bei der bisher einzigen bundesweiten Volksbefragung über die Wehrpflicht in Österreich votierten knapp 60 Prozent für die Beibehaltung der Wehrpflicht und damit gegen die Einführung eines Berufsheeres.

Volksbegehren

Wesentlich häufiger kommt es zu Volksbegehren: Mit diesem Instrument der direkten Demokratie kann das Volk die Behandlung eines Gesetzesvorschlags im Nationalrat verlangen. Der Nationalrat muss im Falle des Erfolges darüber diskutieren, aber dem Vorschlag keine Zustimmung geben.

39 Volksbegehren gab es bisher, das letzte war das CETA/TTIP-Volksbegehren, das von 562.552 Personen bzw. 8,88 Prozent der Stimmberechtigten unterzeichnet wurde. Das erfolgreichste Volksbegehren - die ÖVP-Initiative gegen das Wiener Konferenzzentrum - wurde 1982 von 1,4 Millionen Österreichern bzw. 25 Prozent der Wahlberechtigten unterzeichnet. Gebaut wurde es trotzdem, und darin liegt auch der Hund vieler Volksbegehren begraben. Sie müssen zwar ab 100.000 Unterschriften im Parlament behandelt werden, landen danach aber meist ohne Folgen in irgendwelchen Schubladen.

Schweizer Modell

Vor allem die FPÖ wünscht seit längerem eine stärkere Einbindung der Bevölkerung bei demokratischen Entscheidungen. Verwiesen wird dabei oft auf das Schweizer Modell. In der Schweiz gibt es jedes Jahr eine ganze Reihe von Volksabstimmungen zu verschiedenen Themen, sei es zum Burkaverbot oder zu Steuerfragen. Volksabstimmungen werden meist auf Basis einer Volksinitiative oder eines entsprechenden Gegenvorschlags des Parlaments abgehalten.

Es gibt verschiedene Instrumentarien auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesstaatsebene. In einzelnen Kantonen besteht das obligatorische Gesetzesreferendum, das heißt sämtliche Gesetzesvorlagen müssen dort vom Volk bestätigt werden. In kleineren Kantonen können das neben den Gesetzen auch der Finanzhaushalt und somit auch die Steuersätze sein. Aber auch in bevölkerungsreicheren Kantonen gibt es für größere Ausgabenbeträge Finanzreferenden.

Auch in den Städten und Gemeinden entscheidet die Bevölkerung oft selbst über den Finanzhaushalt.

FPÖ-Wunsch: ab  4% bindend

Die FPÖ wünscht sich eine ähnlich Vorgangsweise für Österreich, allerdings mit etwas höheren Hürden als in der Schweiz:

  • Wird ein Volksbegehren künftig von mehr als vier Prozent der Zeichnungsberechtigten unterstützt, das wären derzeit etwas über 250.000 Personen, und dieses vom Parlament nicht berücksichtigt, dann soll es laut FPÖ eine rechtlich bindende Volksabstimmung geben.
  • Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) soll dabei eine Art Vetorecht erhalten. Jede Initiative soll vom VfGH geprüft werden. Entspricht der Abstimmungsinhalt nicht dem Völkerrecht oder dem Verfassungsrecht, gibt es keine Volksabstimmung, so die Grundzüge des blauen Modells.

ÖVP-Wunsch: fixe Tage

Eine Stärkung der direkten Demokratie hat auch die ÖVP in ihrem Wahlprogramm. Man legt die Latte aber höher und will Volksabstimmungen erst ab zehn Prozent Unterstützung eines Volksbegehrens. Auch mehr Volksbefragungen sind für die ÖVP denkbar. Pro Jahr soll es nach den türkis-schwarzen Vorstellungen ein bis zwei fixe Tage geben, an denen der Bevölkerung Anliegen zur Abstimmung oder Befragung vorgelegt werden.

Nachgedacht wurde auf Seiten der ÖVP auch darüber, sensible Themen wie die EU-Mitgliedschaft oder Handelsabkommen von den Instrumenten der direkten Demokratie auszunehmen.

Bedenken

Die größten Bedenken gegen mehr direkte Demokratie beziehen sich auf den Umgang der Politik damit. Die Schweiz ist dafür bekannt, dass über jedes Anliegen transparent informiert wird und sich der Bürger tatsächlich mit allen Argumenten vertraut machen kann. Das führt dazu, dass selbst bei sensiblen Materien wie der Zuwanderungspolitik die Vernunft regiert und nicht die Emotionen.

In Österreich wurde das Instrument zumeist für parteitaktische Zwecke missbraucht, zuletzt erlebt bei der Wehrpflicht-Volksbefragung, an deren Ergebnis man sich gebunden fühlte. Das Resultat war eine Forsetzung des Miliz-Systems ohne das Bekenntnis zu Strategie und Mitteleinsatz.