Wiener, Österreicher, Europäer – und zwar alles zugleich, aber trotzdem in dieser Reihenfolge: Manfried Welan war ein politischer Kopf, der sich weigerte, Politik auf das Einfache, auf ein Entweder-oder herunterzubrechen. Er beharrte darauf, dass Leben widersprüchlich und stets im Sowohl-als-auch besteht.

Neben seiner Neugier auf das Denken und die Weltsicht der anderen war das vielleicht der Hauptgrund für die Lust Welans an Brückenschlägen. Wissenschaftlich und persönlich. Als Verfassungsrechtler, der er eigentlich war, zählte er zu den Mitbegründern der Politikwissenschaft. Als überzeugter Schwarzer war er grüner als viele Grüne. Genau deshalb war er über Jahrzehnte ein idealtypischer Rektor der Universität für Bodenkultur.

Der Hang zum Grenzüberschreitenden zeichnete ihn auch als Wissenschaftler und Autor aus. Die Verfassung war für ihn lebendiger Stoff. Sein Stil zu schreiben war lebendig und anschaulich und voller Anekdoten und Aper­çus.

„Die besten Momente hat Österreich stets in der Möglichkeitsform“

Er hat Generationen von Journalisten und Kandidaten für das höchste Amt im Staat einen Schnellkurs über die Möglichkeiten wie Grenzen des Bundespräsidenten gegeben. Dabei fand er selbst das Amt eigentlich unpassend in seiner Ausgestaltung.

Die letzten Jahre widmete er vor allem der kritischen Rückschau auf „seine“ Zweite Republik, ganz persönlich, aber auch mit Blick auf ihre Institutionen und Protagonisten.
„Bei der Frage, ob Österreich nicht noch, sondern schon ein Staat ist, schimmert Ungeduld durch. Immerhin gelang es diesem Land nur selten, sein Versprechen in der Wirklichkeit einzulösen. Die besten Momente hat Österreich stets in der Möglichkeitsform.“ Das war so ein typischer Welan-Satz. Sein Optimismus war dennoch unerschütterlich.

Manfried Welan, geboren 1937 in Wien, ist am Mittwoch verstorben.