Vor allem die kurzfristige Absage hatte für Ärger gesorgt. Dass sich Signa-Gründer René Benko bis Mittwochabend Zeit gelassen hatte, um für die Befragung im Cofag-U-Ausschuss am Donnerstag abzusagen, bezeichnete ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger als „Missachtung des Parlaments“. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer hatte bereits am Mittwoch einen Antrag auf eine Beugestrafe für Benko angekündigt. Am Donnerstagabend wurde der Antrag von allen Fraktionen unterstützt, die Entscheidung liegt nun beim Bundesverwaltungsgericht.

Vor allem die Begründung für Benkos Absage irritierte die Abgeordneten: Ständig gebe es neue Vorwürfe und Sachverhaltsdarstellungen gegen ihn. Für den Vorsitzenden und die Verfahrensrichterin wäre es deshalb nicht möglich, festzustellen, bei welchen Fragen Benko sich entschlagen dürfe, begründet Benkos Anwalt. Damit seien seine Beschuldigtenrechte nicht geschützt, eine Befragung unter diesen Umständen sei „unzumutbar“. Trotz der kurzfristigen Absage von René Benko stellte sich am Donnerstag im Cofag-U-Ausschuss eine prominente Auskunftsperson den Fragen der Abgeordneten. Eduard Müller war einst Sektionschef im Finanzministerium, wurde in der Übergangsregierung Bierlein zum Kurzzeit-Minister berufen und ist heute Chef der Finanzmarktaufsicht. Am Nachmittag folgte die Befragung einer Finanzbeamtin.

Die mittlerweile pensionierte Frau war in der Großbetriebsprüfung tätig gewesen und hatte mit dem Steuerakt des Investors Sigfried Wolf zu tun. Zunächst war eine Steuernachzahlung von 10,6 Millionen Euro Steuern vorgesehen gewesen, schlussendlich wurde der Betrag heruntergesetzt. Die Beamtin hatte während der Prüfung auf den ursprünglichen Betrag bestanden. Als sich die Prüfung in die Länge zog, wandte sie sich einmal per Mail an den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling, er möge sie die „Sache im Oktober endlich abschließen lassen“. Antwort habe es darauf keine gegeben. An der Schlussbesprechung zu Wolf hatte sie schließlich nicht teilgenommen. Zunächst hatte sie sich über mehrfache Terminverschiebungen geärgert, schließlich hatte sie ihr Chef gebeten, sich jenen Tag freizunehmen. Eigentlich habe sie aber auch keine Lust gehabt, „den Herrn Wolf persönlich kennenzulernen.“

Finanzamtschefin spielte mit Sigi Wolf Golf

Die Chefin des für Wolf zuständigen Finanzamts sei mit dem Investor per Du gewesen, erzählte die Beamtin während der Befragung durch Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty, die beiden wären im selben Golfklub gewesen. Die Befragte selbst hätte das als Befangenheit gewertet: „Aus, retour“, sagte die Beamtin.

Im Sommer 2017, zehn Monate vor ihrer Pensionierung, sei Müller, damals noch Sektionschef, an sie herangetreten, berichtete die Beamtin. Ob ihr bewusst sei, dass sie „auf einem der mächtigsten Posten Österreichs sitze“, habe er sie gefragt. „Ich habe gesagt, nein, ist mir auch wurscht“, erinnerte sich die Auskunftsperson. Es gelte nun, den Posten neu zu besetzen, habe Müller erklärt, ansonsten würde die Position womöglich politisch besetzt werden. Er habe ihr stattdessen ein Angebot für einen Posten im Finanzministerium gemacht, „das ich nicht ablehnen konnte“. Sie sei froh über den Wechsel gewesen, sagte die Beamtin aus, ständige Diskussionen in der Kollegenschaft seien zur Belastung geworden.

Die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli thematisierte auch Prüfungen innerhalb des Signa-Konglomerats. „Wenn man sich das Firmengeflecht ansieht, ist es nicht einfach, das zu prüfen“, sagte die Finanzbeamtin. „Alle Achtung“, sagte sie bezogen auf Benkos Berater, das Konstrukt habe „uns ordentlich auf Trab gehalten“.

Müller: Vertrauen zu Schmid war ein Fehler

Zuvor hatte die Befragung Müllers mehr als vier Stunden in Anspruch genommen. „Ich bin seit mehr als 40 Jahren berufstätig, im Rückblick kann man vieles besser machen. Aber ich kann mir in meinem ganzen beruflichen Leben nichts vorwerfen, außer, dass ich einen Menschen, mit dem ich 3 Jahre zusammengearbeitet habe, nicht durchschaut habe“, sagte Müller zu Beginn der Befragung. Gemeint sein dürfte Schmid, Müller sprach allerdings nur von einem Generalsekretär, ohne einen Namen zu nennen. „Ich konnte mir als Beamter gar nicht vorstellen, dass rein persönliche Vorteile handlungsleitend sein können.“ Für Benko habe er nie interveniert.

Bereits in den ersten Befragungstagen zum Cofag-U-Ausschuss war Müllers Name immer wieder aufgetaucht: Eine Finanzbeamtin hatte angegeben, Müller habe sie gefragt, ob sie „deppert geworden“ sei, als sie Anzeige in der Steuercausa von KTM-Chef Stefan Pierer erstattete. Darauf angesprochen ortete Müller eine „Verunglimpfung seiner Person“. Er habe niemanden das „Wort mit d“ genannt, gab er an. 

Ein weiterer Beamter hatte von einer Verfolgung durch Müller berichtet, nachdem dieser ihn bezichtigt hatte, Details aus Pierers Steuerakt an Krainer weitergegeben zu haben. Im Finanzministerium sei Müller als „Zwilling“ des damaligen Generalsekretärs und späteren ÖBAG-Chefs Thomas Schmid bezeichnet worden, erzählte derselbe Befragte.

Am Vormittag wurde Müller zur Sitzverlegung der Signa Holding von Wien nach Innsbruck im Jahr 2018 befragt. Diese fiel mit der Steuerprüfung des Tuchlaubenkomplexes in der Wiener Innenstadt einige Jahre zuvor zusammen, in Wien ging man von einer deutlich höheren Steuerbemessungsgrundlage aus (mindestens 50 Millionen Euro) als später in Innsbruck (36 Millionen Euro). Einer der Finanzbeamten, die Anfang März ausgesagt hatten, hatte einen Elektronischen Akt (Elak) angelegt, in dem er inhaltliche Bedenken festgeschrieben hatte. Denn die Signa habe auf eine niedrigere Bemessungsgrundlage gedrängt, den Bescheid mit einer Bemessungsgrundlage von unter 50 Millionen Euro zu erlassen, wäre dem Beamten aber als Amtsmissbrauch erschienen, hatte dieser in seiner Befragung vor den Abgeordneten angegeben. Müller habe später ungehalten auf den angelegten Akt reagiert.

Müller warnte vor Verjährung des Signa-Akts

Es sei ihm nicht darum gegangen, „dass der Akt angelegt wurde, sondern wie“, erklärte Müller am Donnerstag. Der Akt sei nicht unter Verschluss gewesen, jeder Finanzbeamte in Österreich hätte Einsicht nehmen können, begründete er. In einen fremden Akt zu schauen, wäre allerdings Amtsmissbrauch, merkte die Verfahrensrichterin an.

Gewarnt habe er außerdem vor einer Verjährung der Steuerangelegenheit. Hätte man den Bescheid nicht auch mit einer Bemessungsgrundlage von 50 Millionen Euro erlassen können, um einer Verjährung zu entgehen, fragte die Grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli. „Natürlich“, antwortete Müller.

Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty hielt Müller eine weitere Aussage des Finanzbeamten vor, nämlich, dass Müller zu ihm gesagt hätte, eines der Gutachten zur Signa-Causa „wäre für die Bank und wir sollten das wissen“. Damit sei impliziert worden, dass es noch andere Gutachten gegeben hätte. Er könne sich zwar an unterschiedliche Gutachten erinnern, aber Erinnerungen an ein eigenes Gutachten „für die Bank“ habe er nicht, gab Müller an. 

Auch für Treffen zwischen Müller und Benko im Büro des Signa-Gründers interessierten sich die Abgeordneten. Der Spitzenbeamte erinnerte sich an zwei Treffen, Tomaselli zählte in den Akten drei. Eines habe jedenfalls im Büro des Signa-Gründers stattgefunden, der zu diesem Zeitpunkt offiziell allerdings keine Organfunktion im Konzern mehr innehatte. Benko habe bei dem Treffen die lange Verfahrensdauer und einen dreimaligen Prüferwechsel beklagt und „kein Klima der konstruktiven Prüfung“ geortet.

SPÖ interessiert sich für Pierer-Causa

Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ, thematisierte die Steuercausa Pierers. Wann er von der sogenannten „Abschleicherliste“ erfahren hat, wisse er nicht, sagte Müller, dasselbe gelte für parlamentarische Anfragen, in denen Krainer wissen wollte, ob Pierer auf der Liste stehe. Auf der „Abschleicherliste“ des Finanzministeriums sind österreichische Steuerpflichtige vermerkt, die noch schnell ihr Geld nach Österreich transferiert haben sollen, bevor Steuerabkommen mit Liechtenstein und der Schweiz in Kraft traten.

Von Pierers späterer Selbstanzeige habe er vermutlich aus den Medien erfahren, gab der Chef der Finanzmarktaufsicht an. Müllers Aufgabe sei allerdings die dienstrechtliche Aufklärung gewesen, also wie die Details aus dem Akt an die Öffentlichkeit gelangt waren. Zuständig sei dafür das Büro für interne Angelegenheiten im Finanzministerium gewesen, erklärte Müller. Man habe feststellen können, welche Personen auf den Steuerakt zugegriffen habe, bei vier Personen habe man daraufhin Analysten durchgeführt. Betroffen gewesen sein dürfte unter anderem der Finanzbeamte, der in der ersten Befragungswoche von einer Verfolgung berichtet hatte. Eine Rüge von der Datenschutzbehörde habe es dafür gegeben, dass dabei auch nach weiteren „Zufallstreffern“ gesucht worden sei, sagte Müller aus. „Ich durfte davon ausgehen, dass das Büro für interne Angelegenheiten so arbeitet, dass es den rechtlichen Bedingungen entspricht.“

SPÖ und FPÖ wollen „Zwei-Klassen-Verwaltung“ auf die Spur kommen

Ziel der Befragungen ist es, einer möglichen „Zwei-Klassen-Verwaltung“ auf die Spur zu kommen, in der reiche Einzelpersonen etwa in Steuerfragen oder bei Corona-Hilfen eine Sonderbehandlung zuteilwerde, begründen SPÖ und FPÖ die Einsetzung des parlamentarischen Kontrollinstruments.

Es brauche einen Umbau der Finanzverwaltung, sodass diese „überhaupt in der Lage ist, Milliardäre zu besteuern“, resümierte Krainer zwischen den Befragungen. Derzeit würden diverse Stiftungen und Gesellschaften oft von unterschiedlichen Finanzämtern beziehungsweise Dienststellen geprüft, „das ist nicht so organisiert, dass wir das große Bild sehen“, bemängelte der SPÖ-Finanzsprecher.