Der EU-Gipfel in Brüssel zur Besetzung von Spitzenposten in der Europäischen Union ist ohne Entscheidungen zu Ende gegangen. Bis zum EU-Gipfel am 20./21. Juni soll eine Lösung für den nächsten EU-Kommissionspräsidenten stehen, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Dienstagabend in Brüssel. EU-Ratschef Donald Tusk, Merkel und weitere Teilnehmer haben Pressekonferenzen angekündigt, um über die Ergebnisse zu informieren. Tusk betonte, niemand sei ausgeschlossen, will aber mindestens zwei Frauen in Personalpaket.

Beraten hatten sie vor allem die Auswahl des nächsten Präsidenten der EU-Kommission. Merkel hatte zu Beginn noch einmal für den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), geworben. Doch der französische Präsident Emmanuel Macron und andere EU-Staats- und Regierungschefs stellen sich quer.

Zuvor hab es schwere Kost in Brüssel: Die EU-Staats- und Regierungschefs besprachen das EU-Personalpaket bei Schweinsfilet mit Spargel und Saubohnen. Der Menüplan sieht als Vorspeise gemischten Salat mit Melonen und getrockneten Feigen vor. Als Dessert standen Erdbeeren mit Thymian und Zitronengras auf der Agenda.

Löger will "breite Basis" 

Österreichs Interims-Kanzler Hartwig Löger (ÖVP)geht davon aus, dass sich die Staats- und Regierungschefs bis zum Juni auf ein Personalpaket in Sachen EU-Topjobs einigen und dann dem Parlament vorlegen werden. Dabei bekräftige er Österreichs Position nach einer Spitzenkandidaten-Lösung für den Posten des Kommissionspräsidenten, wie Löger am Dienstagabend in Brüssel sagte.

"Wir sind dafür eingetreten, dass dieses System, das vertraglich verankert ist - nämlich den Spitzenkandidaten die priorisierte Chance zu geben - auch entsprechend berücksichtigt wird", sagte Löger nach dem EU-Gipfel, der mit gut drei Stunden ungewöhnlich kurz gedauert hatte. Die Frage, wie hoch er die Chance von Manfred Weber, dessen Fraktion EVP trotz Verlusten die Wahl am Sonntag gewonnen hatte, einschätze, die Nachfolge von Jean-Claude Juncker tatsächlich antreten zu können, ließ Löger unbeantwortet.

Wer nächster österreichischer EU-Kommissar werden wird bzw. ob der jetzige Erweiterungskommissar Johannes Hahn (ÖVP) ihm Amt bleiben kann, sei noch offen. Das werde auf parlamentarischer Ebene in Österreich entschieden: "Insofern wird es da Anstrengungen bedürfen, auch in dieser Übergangsregierungssituation auf breiter Basis eine gemeinsame Linie zu finden." Er habe Hahn erst am heutigen Dienstag getroffen, um die Kommissarsfrage sei es da aber nicht gegangen.

Dass Löger zum ersten Mal im Kreis von Europas Mächtigen Platz genommen hat, dürfte ihn nicht ganz unbeeindruckt gelassen haben. "Ich bin an einem runden Tisch gesessen, wie ich in den letzten eineinhalb Jahren schon immer wieder als Finanzminister in Brüssel an einem runden Tisch gesessen bin. Aber heute war das natürlich bedeutsamer, weil es die Regierungschefs und -chefinnen Europas waren", meinte er.

Premierminister Sipilä lobt finnische Kandidaten

Dem finnischen Premierminister Juha Sipilä zufolge haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag beim Gipfeltreffen in Brüssel nicht zum Spitzenkandidatenprozess bekannt. Dies teilte der Liberale nach Ende des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs mit. Über Namen werde noch nicht diskutiert.

Auf der Liste der möglichen Kandidaten für die Topjobs in den EU-Institutionen stehen zwei Finnen. Sowohl Olli Rehn, Chef der finnischen Zentralbank, der der Zentrumspartei angehört, als auch sein Vorgänger, der Sozialdemokrat Erkki Liikanen, kommen für den Chefsessel der Europäischen Zentralbank (EZB) infrage. "Zwei sehr gute Kandidaten", wie Sipilä meinte.

Der wichtigste Punkt auf der Agenda des Gipfeltreffens sei für ihn die Schwerpunktsetzung für die nächsten fünf Jahre gewesen, sagte der scheidende Premierminister. Während der finnischen Ratspräsidentschaft sei oberste Priorität, diese umzusetzen. Als weitere Schwerpunkte der am 1. Juli beginnenden Amtsperiode nannte er Wirtschaftswachstum, den Ausbau des Binnenmarkts, Sicherheit und den Klimawandel.

Finnland übernimmt am 1. Juli für sechs Monate von Rumänien die EU-Ratspräsidentschaft, obwohl das nordische Land zur Zeit nur über eine geschäftsführende Regierung verfügt. Der nächste Premierminister wird dem Vernehmen nach ein Sozialdemokrat sein, die Zentrumspartei aber weiterhin mitregieren.