Inzwischen sind es zwölf: Gestern haben zwei weitere europäische Länder, Spanien und Portugal, die EU-Kommission von der Schließung ihrer Grenzen informiert. Andere, wie Österreich oder Ungarn, haben damit schon vor Tagen begonnen. Die Maßnahme, die helfen soll, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, stellt die EU vor ein Dilemma: Einerseits ist alles zu begrüßen, was im Sinn der Sache ist, und noch dazu liegen solche Notmaßnahmen im Ermessen der Mitgliedsländer, nicht in Brüssel – andererseits aber führen die geschlossenen Grenzbalken innerhalb des Schengenraumes zu massiven Folgeproblemen (siehe Überblick unten).

Vor allem der verbliebene Warenverkehr, der für die ohnehin darniederliegende Wirtschaft ebenso essenziell ist wie der Transport von medizinischen Gütern, gerät durch die neuen Hürden ins Stocken. Staus über Dutzende von Kilometern wirken anachronistisch, wenn eigentlich die ganze Welt mittlerweile im „Lockdown“ ist. Ungeachtet dessen sind immer noch Hunderttausende Menschen unterwegs; sei es, weil sie versuchen, in ihre Heimatländer zurückzukehren, oder sei es, weil sie lokale Grenzpendler sind. Etwa jene Pflegekräfte oder Lkw-Fahrer aus Osteuropa, die in Österreich gebraucht werden und an den ungarischen Grenzen hängen bleiben. Dasselbe Problem gibt es an der deutsch-polnischen Grenze. Dort, wo viele Menschen an der Weiterreise gehindert werden, passiert noch dazu das Gegenteil des Beabsichtigten: Es kommt zu Menschenansammlungen.

Die Reaktion der EU kam schnell, aber trotzdem (zu) spät. Am Montag veröffentlichte die Kommission eine Leitlinie für das Grenzmanagement, bei der es unter anderem darum ging, die Lkw schneller durchzubringen (über „fast lanes“ bzw. „grüne Fahrstreifen“) und gleichzeitig festzuschreiben, dass reisende EU-Bürger nicht daran gehindert werden dürfen, in ihre Heimat zu kommen; ja generell sollten Bürger nicht an den Grenzen „diskriminiert“ werden. Um den Mitgliedsländern im Gegenzug dafür etwas zu bieten, schlug die Kommission einen Einreisestopp für Bürger von Drittländern vor, eine Sperre der Außengrenzen. In einem Video-Sondergipfel wurde das von allen Mitgliedsländern sofort angenommen, auch die Partnerländer wie Norwegen oder die Schweiz schlossen sich, ohne zu zögern, an.

Durchreisende aus Drittländern

Doch was auf den ersten Blick extrem wirkt, könnte sich als nicht sehr bedeutend erweisen. Menschen von außerhalb der EU drängen ohnehin nicht in Massen herein. Betroffen sind vor allem Fähr- und Flughäfen, die aber schon quasi zum Erliegen gekommen sind – und es geht um Menschen aus Drittländern, die sich auf Airports eigentlich nur für den Transit aufhalten wollten, etwa auf dem Weg in ihre Heimatländer.

Gezeigt hat sich aber einmal mehr, dass die Mitgliedsländer ihre eigenen Prioritäten setzen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Sperren kurzerhand schon am Dienstagmittag begonnen, ohne die Zustimmung der anderen lange abzuwarten, Deutschland folgte am Abend. Österreich hingegen wartet noch auf den offiziellen Beschluss und verweist darauf, dass die Relevanz nicht sehr hoch sei. Das Innenministerium wies gleichzeitig Gerüchte als „Fake News“ zurück, wonach Österreich Reisende aus Deutschland an der italienischen Grenze anders behandle als Bürger anderer EU-Staaten. Konkret war die Behauptung aufgetaucht, dass Deutsche mit „genügend Benzin im Tank“ einfach durchgewunken würden; ein Sprecher der EU-Kommission sagte gestern, davon sei in Brüssel nichts bekannt.

In einem EU-Ministerrat berieten gestern die Verkehrsminister das Grenzregime, das die Schengen-Grundsätze zumindest beeinträchtigt. Sie begrüßten die Einrichtung von Versorgungskorridoren. In Brüssel heißt es, es gehe nicht um juristische Formalismen, sondern vielmehr um „gute Resultate und eine allgemeine Übereinkunft“. Am Abend dann die Nachricht: Deutschland will angeblich die Grenzen für alle anderen EU-Bürger dicht machen, es dürfen nur noch Deutsche passieren.