Die Tagesordnung hat es in sich: Klimawandel und Irankrise, Ukraine und Brexit, Eurozone und Finanzrahmen. Hauptthema des EU-Gipfels, der heute in Brüssel beginnt, wird aber die Personaldebatte sein. Ausgangspunkt sind die fünf höchsten Positionen im EU-Gefüge, die nun neu besetzt werden sollen und um die ein entsprechendes Gerangel herrscht. Es geht um die Präsidenten von Kommission, Rat und Parlament sowie um die Stelle des Außenbeauftragten und des Chefs der Europäischen Zentralbank.
Schon bei der Kür möglicher Kandidaten prallen Parlament und Rat aufeinander. Das Parlament hat sich für das Spitzenkandidaten-Prinzip ausgesprochen. Manfred Weber (EVP) erhebt Anspruch auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker in der Kommission. Trotz Verlusten ist die EVP immer noch stimmenstärkste Fraktion, braucht aber mindestens zwei Partner. Diese haben aber ihre eigenen Kandidaten: Frans Timmermans von den Sozialdemokraten und Margrethe Vestager von den Liberalen. Der Erfolg der Grünen hat dazu geführt, dass auch Fraktionschefin Ska Keller plötzlich eine wesentliche Rolle spielt.

Bei den Staats- und Regierungschefs ist man sich hingegen nicht so sicher, ob man nicht lieber eigene Vorschläge machen sollte. Besonders Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht sich klar gegen Weber aus – und er ist bei Weitem nicht der einzige liberale Staatschef. Sollte der Gipfel aber heute schon zu einem konkreten Vorschlag kommen – Präsident Donald Tusk gibt sich „vorsichtig optimistisch“ –, kann das Parlament diesen immer noch ablehnen und alles würde von vorne beginnen. Also sucht man Kompromisse. Immer wieder fällt der Name Michel Barnier – doch der Brexit-Chefverhandler gehört wie Weber zur EVP. Zuletzt waren Gerüchte aufgetaucht, Weber könnte „zunächst“ einmal doch Präsident des Parlaments werden.

Für Kanzlerin Brigitte Bierlein ist der Gipfel eine Premiere. Sie beriet sich gestern mit dem EU-Ausschuss des Nationalrats über die Position, die Österreich vertreten wird – entsprechend der heimischen Parteienlandschaft sind die Stimmen aber sehr unterschiedlich. Sebastian Kurz hatte klar für Weber plädiert. Bierlein will bei den Posten für Geschlechterparität und eine ausgewogene geografische Verteilung eintreten, sagte sie; sollten sich mehrheitsfähige Personalvorschläge auftun, „werden wir uns anschließen“. Österreich sei auch in Europa handlungsfähig. In einer weiteren Runde kann ein Kandidat für den Kommissarsposten nominiert werden, in diesem Fall muss sich der Ausschuss auf einen Namen einigen.