Fast zehn Jahre lang war er die allumfassende Medienpräsenz in Amerika, Retter vor den bösen Globalisten für seine Verehrer, faschistischer Bösewicht für seine Feinde: Donald Trump. Und fast genauso lange gibt es strafrechtliche Ermittlungen, Untersuchungsausschüsse und Auguren, die das baldige Ende, das Verpuffen, den endgültigen Niedergang von Trump voraussagten. Aber noch ist der frühere Präsident medial präsent, und er will sogar 2024 noch einmal antreten. Aber hat er eine Chance, oder ist es wahrscheinlicher, dass der 76-Jährige im Gefängnis landet?

Monatelange Ermittlungen

Am Montag hat ein Ausschuss des Repräsentantenhauses den Justizbehörden empfohlen, den Ex-Präsidenten strafrechtlich zu verfolgen. Es geht um Verschwörung gegen die USA, Aufstacheln eines Aufstandes, Obstruktion gegen den Kongress und eine Verschwörung, um Falschbehauptungen in die Welt zu setzen – die "große Lüge", dass die Wahl von ihm gestohlen worden sei.

Der Ausschuss hatte seit 18 Monaten ermittelt, wer für die Stürmung des Kapitols 2021 verantwortlich war. Demnach sei Trump die "zentrale Ursache" für den 6. Jänner. Die Abgeordneten stützten sich auf viele Zeugen, darunter Trumps Assistentin Cassidy Hutchinson. Laut ihr habe Trump versucht, seinen Secret-Service-Leuten das Steuer seines SUVs zu entreißen, um selber zu den Aufständischen zu fahren. Das Votum ist nicht rechtlich bindend, aber einmalig in der US-Geschichte. Es werden auch Ermittlungen gegen andere Politiker empfohlen, darunter der frühere Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani.

Steuerakten müssen veröffentlicht werden

Am Dienstag hat ein Komitee des Repräsentantenhauses nachgelegt: Trumps Steuerakten der letzten sechs Jahre sollen veröffentlicht werden. Normalerweise legen Präsidenten ihre Steuern offen, um Vorwürfen von Interessenskonflikten zuvorzukommen. Trump hatte sich stets geweigert. Das Repräsentantenhaus hat die Akten nach einer längeren Prozessarie erstritten. Damit könnten die Wähler erfahren, wie Trump sein Geld verdient – seine Firma hat viele ausländische Joint Ventures, von Russland bis Saudi-Arabien. Womöglich aber auch, dass Trump gar nicht so reich ist, wie er behauptet. Immerhin hat er in einer spektakulären Pleite in den neunziger Jahren den Großteil seines Vermögens verloren und verdient sein Geld seitdem hauptsächlich mit Fernsehauftritten und Lizenzen.

Und dann gibt es noch das Ermittlungsverfahren nach einer FBI-Razzia in Trumps Anwesen Mar-a-Lago im September. Der Ex-Präsident hatte einiges an Souvenirs mitgehen lassen, darunter geheime Papiere, Briefe und sicherheitsrelevante Akten. Das FBI hat alleine mehrere Dutzend Kartons gefunden, die mit "classified" markiert waren. Trump war der Ansicht, als Präsident stünde ihm das zu.

Unterstützung schmilzt

Trotz eines Kerns eisenharter Verehrer schmilzt die Unterstützung für Trump in der eignen Partei. Einige Republikaner – wie Liz Cheney und Adam Kinzinger – haben sich offen gegen ihn gestellt. Und selbst der konservative Medienzar Rupert Murdoch ist von ihm abgerückt. Andere konkurrieren gegen ihn, wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis, in Umfragen inzwischen weit vor Trump. Auch Mitch McConnell, der mächtige Führer der Republikaner im Senat, hält Trump für den Schuldigen an dem Aufstand vom 6. Januar. "Die ganze Nation weiß, wer dahintersteckt", sagte er am Montag. Auch sein früherer Vize Mike Pence hat sich gegen ihn gestellt, warnt allerdings vor einer Verurteilung. Das würde das Land spalten, statt zu heilen.

Seit den Ermittlungen des früheren FBI-Chefs Robert Muller – Stichwort: Russiagate – haben politische Kommentatoren wöchentlich angekündigt, dass Trumps Tage gezählt seien. Aber nicht nur blieb bisher er auf freiem Fuß, er macht auch weiterhin Geschäfte, zuletzt mit digitalen Original-Postkarten, sogenannten NFTs, auf denen er als Superheld posiert und die für 99 Dollar pro Stück verkauft werden.

Nicht der erste Politiker hinter Gittern

Dass Trump allerdings noch einmal Präsident der USA wird, ist unwahrscheinlich. Zwar verbietet die Verfassung einem Vorbestraften nicht, zu kandidieren, aber eine Verurteilung wegen einer Verschwörung gegen die Regierung hat noch einmal ein anderes Gewicht. Er betreibt zwar offiziell Wahlkampf, aber eher, damit er unter dem Deckmantel der politischen Kampagne steuerbefreit Memorabilien verkaufen kann. Das betrifft nicht nur die NFTs, sondern auch Silbermünzen, T-Shirts und Schirmkappen. Das Geld wird er für seine Anwälte gut gebrauchen können.

Wird Trump tatsächlich im Gefängnis enden? Das wäre in der Politikgeschichte der USA sehr ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Im 19. Jahrhundert hatte New York jahrzehntelang einen heimlichen Herrscher, William "Boss" Tweed. Tweed war der Vorsitzende der wichtigsten Parteiorganisation Tammany Hall, die mithilfe von politischen Gefallen die Wählerstimmen kontrollierte. Tweed war auch der drittgrößte Grundeigentümer in New York und besaß Anteile an Bahnlinien, Hotels und Banken. Letztlich wurde er verurteilt, weil er Millionen von Dollar für sich selber abgezweigt hatte; er starb in einem Gefängnis in Manhattans Lower East Side.