Es wird eng – für die Briten, aber besonders auch für ihren Premierminister Boris Johnson: Obwohl die Coronaregeln, die er jüngst verordnen wollte, im Vergleich zu Österreich und anderen Ländern noch sehr mild ausfallen, verweigerte ihm bei der entscheidenden Abstimmung darüber am Dienstagabend ein großer Teil seiner eigenen Leute die Gefolgschaft. Nach einer emotionalen Debatte stimmten 369 Abgeordnete dafür, 126 dagegen. Der BBC zufolge kamen aber knapp 100 der Gegenstimmen aus den Reihen von Johnsons Tory-Partei. Das ist die größte Rebellion gegen Johnson seit seinem Wahlsieg im Jahr 2019. Johnson hat eine Mehrheit von 79 Stimmen im Unterhaus, konnte die aktuelle Verschärfung also nur mit den Stimmen der Opposition durchs Parlament bringen.

Wie sehr Johnson offenbar an Rückhalt im eigenen Lager verloren hat, zeigt ein Blick auf die Corona-Situation: Die Omikron-Variante breitet sich in atemberaubenden Tempo aus. Regierungsexperten rechneten  damit, dass es in Großbritannien bereits 300.000 bis 400.000 Omikron-Infektionen täglich gebe, berichtete das Online-Portal "Politico". Vor allem in der Hauptstadt London sei das Virus bereits außer Kontrolle. Bis Jahresende könnte es eine Million Fälle pro Tag geben, so die Experten.

In Pubs kein 3G-Nachweis nötig

Angesichts dessen wirken die von Johnson vorgeschlagenen neuen Regeln harmlos: Die vom eigenen Lager so bekämpfte Einführung einer 3G-Regel gilt in England nur für den Einlass in Clubs und Discos sowie zu Großveranstaltungen. In Pubs und Restaurants ist weiterhin kein Nachweis nötig.

Man muss kein Prophet sein, um zu vermuten, dass schon sehr bald noch schärfere Regeln notwendig sein werden, um die Omikron-Variante einzudämmen.

Johnson selbst steht zunehmend unter Druck. Einerseits, weil er selbst im Sommer eigentlich ein Ende aller Regeln versprochen hatte. Politisch schwer angeschlagen ist er aber durch immer neue Vorwürfe, er selbst und sein Kabinett hätten sich in der Vergangenheit selbst nicht an die eigenen Coronaregeln gehalten. Mittlerweile fordert die Labour-Partei die Tories mit Nachdruck auf, dem Premier das Vertrauen zu entziehen. "Boris Johnson ist ungeeignet, unser Land zu führen", twitterte Oppositionsführer Keir Starmer

Ausgestanden hat Johnson die Sache noch lange nicht – im Gegenteil: Ende dieser Woche muss der Premier erneut Stellung nehmen zu den Vorwürfen, 2020 Corona-Weihnachtspartys gefeiert zu haben. Und dazu steht noch eine heikle Nachwahl für ein Parlamentsmandat an, das die Tory zu verlieren drohen.

"Flutwelle"

Am Wochenende warnte Johnson noch vor der "Flutwelle" Omikron. Jetzt muss er aufpassen, dass ihn der Corona-Tsunami nicht aus dem Amt schwemmt.