Einen Tag nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk haben die weißrussischen Behörden die Festnahme des Bloggers Roman Protassewitsch bestätigt. Er sei in Untersuchungshaft genommen worden, teilte das Innenministerium am Montagabend im Nachrichtenkanal Telegram mit. Der 26-Jährige war am Sonntag am Minsker Flughafen in Haft genommen worden. Zugleich wies das Innenministerium Berichte in sozialen Netzwerken zurück, wonach der Journalist im Spital liege.

Mehr als 24 Stunden hatte die autoritäre Führung des Landes keine Angaben zum Verbleib des Oppositionsaktivisten gemacht. Vor seiner Festnahme war das Ryanair-Flugzeug mit Protassewitsch an Bord auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Landung gezwungen worden. Dabei stieg nach Angaben des Militärs in Minsk auch ein Kampfjet vom Typ MiG-29 auf. Die Behörden hatten von einer angeblichen Bombendrohung gesprochen.

Mehrere Passagiere des Flugs bestätigten Medien in Litauen nach der Landung die Festnahme des jungen Mannes. Protassewitsch, der in seiner Heimat unter anderem wegen Anstiftung zu Protesten gegen Machthaber Alexander Lukaschenko zur Fahndung ausgeschrieben war, hatte im Exil in Litauen gelebt. Ihm drohen nun viele Jahre Haft.

Protassewitsch gesteht in Video Verbrechen

Weißrussische Telegramkanäle verbreiteten am späten Montagabend ein Video, das den am Sonntag am Minsker Flughafen verhaftete Roman Protassewitsch zeigt. Der oppositionelle Journalist erklärte darin, dass es ihm gut gehe und er sich im Untersuchungsgefängnis Nr. 1 in Minsk befinde. "Ich bin dabei, weiter mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren und liefere ein Geständnis in Bezug auf die Organisation von Massenunruhen in Minsk", sagte er in dem Mitschnitt.

Er könne bestätigen, dass er keine Probleme mit seiner Gesundheit habe und sich die Mitarbeiter der Behörden ihm gegenüber maximal korrekt und gesetzeskonform verhalten würden, erklärte Protassewitsch.

Unabhängige Bestätigungen für die Authentizität des 30-Sekunden Videos lagen zunächst nicht vor. Vertreter der weißrussischen Opposition erachteten es jedoch für echt. Seit dem vergangenen Sommer haben weißrussische Strafverfolgungsbehörden wiederholt Videos mit politischen Gegnern veröffentlicht, die in Haft vor laufenden Kameras sich selbst bezichtigten, Verbrechen begangen zu haben.

Tichanowskaja: "Akt des Staatsterrorismus"

Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat sich zuvor besorgt über den Verbleib des Oppositionsaktivisten und Bloggers gezeigt. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass er jetzt von Mitgliedern der Sondereinheiten gefoltert wird", sagte Tichanowskaja der Agentur BNS am Montag in Vilnius. Sie stehe in Kontakt mit den Eltern von Protassewitsch.

Tichanowskaja zufolge ist neben dem Aktivisten auch dessen Freundin festgenommen worden. Die 23-jährige Studentin sei in das berüchtigte Okrestina-Gefängnis in Minsk gebracht worden, sagte die Bürgerrechtlerin unter Berufung auf Angehörige der Frau. Was ihr vorgeworfen werde, sei nicht bekannt. Die russische Botschaft in Minsk hatte zuvor die Festnahmen bestätigt.

"Jetzt versteht jeder, dass nicht nur Belarussen bedroht sind. Es wurde ein Akt des Staatsterrorismus begangen. Jeder Passagier in einem Flugzeug, das über Weißrussland fliegt, ist jetzt in Gefahr. Das Regime hat unser Land zu einem Nordkorea inmitten von Europa gemacht", meinte Tichanowskaja. Der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der in der EU als Oppositioneller im Exil lebt, rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, Lukaschenko und sein Umfeld als Terroristen einzustufen. Dies werde Russland nicht erlauben, Lukaschenko weiterhin zu unterstützen. "Wir brauchen diese Entscheidung."

Guterres "zutiefst besorgt"

UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine vollständige Untersuchung des Vorfalls und die Freilassung von Protassewitsch. Er sei "zutiefst besorgt" wegen des "verstörenden Vorfalls" und fordere alle Beteiligten auf, an einer "kompletten, transparenten und unabhängigen Untersuchung" teilzunehmen, sagte Guterres am Montag in New York laut einer Mitteilung. Auch die sich verschlechternde Situation der Menschenrechte in Belarus insgesamt bereite ihm große Sorgen, sagte Guterres demnach weiter.

Hamas dementiert Bombendrohung

Die radikalislamistische Palästinenserorganisation Hamas dementierte unterdessen Vorwürfe, eine Bombendrohung gegen das Ryanair-Flugzeug ausgesprochen zu haben. Sprecher Fawzi Barhoum sagte, die Hamas habe mit der Sache "nichts zu tun" und weder Kenntnisse darüber noch Verbindungen dazu. Man greife nicht auf Methoden zurück, die darauf abzielten, die Hamas zu dämonisieren.

Der Chef der Luftfahrt-Abteilung im belarussischen Transportministerium, Artem Sikorski, hatte am Montag vor Journalisten erklärt, der weißrussischen Regierung sein ein Drohschreiben der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vorgelegen. In der E-Mail habe es unter anderem geheißen, dass an Bord der Maschine "eine Bombe deponiert" sei.

Zum Beleg las Sikorski nach eigenen Angaben eine russische Übersetzung der angeblich auf Englisch abgefassten E-Mail vor. In der E-Mail hieß es laut Sikorski: "Wir, Soldaten der Hamas, fordern, dass Israel die Angriffe auf den Gazastreifen einstellt. Wir verlangen, dass die Europäische Union ihre Unterstützung für Israel einstellt." Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, "wird eine Bombe (an Bord des Ryanair-Flugzeuges) über Vilnius explodieren."

Ryanair-Chef: "Staatlich geförderte Entführung"

Die weißrussische Luftwaffe versicherte unterdessen, die Besatzung der Ryanair-Maschine habe selbst beschlossen, in Minsk zu landen, nachdem sie über die Bombendrohung informiert worden sei. Es habe keinen Zwang von außen gegeben, sagte Luftwaffen-Chef Igor Golub. Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte zuvor eine eindeutig andere Version geliefert: "Es war eine staatlich geförderte Entführung," sagte er. Er gehe auch davon aus, dass an Bord der Ryanair-Maschine Agenten des belarussischen Geheimdienstes KGB gewesen seien.