Seit zwei Uhr Donnerstagnacht ist es still in Israel und in Gaza. Nach elf Tagen intensiver Kämpfe, in denen mehr als 4000 Raketen auf Israel flogen und die israelische Armee Hunderte von Zielen in dem Palästinensergebiet beschossen hatte, stimmten beide Seiten einer Waffenruhe zu, vermittelt vom Nachbarn Ägypten.

Es handele sich um eine „Ruhe für Ruhe ohne umfassende Vereinbarung“, heißt es aus dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Verteidigungsminister Benny Gantz sprach nach der Verkündigung der Feuerpause von „beispiellosen militärischen Erfolgen in Bezug auf Kraft, Präzision und strategischer Bedeutung“ und betonte, dass die Streitkräfte nach wie vor in Alarmbereitschaft seien. Auch die Hamas ließ keinen Zweifel offen, dass sie „den Finger weiterhin am Abzug“ habe.

Jubel im Gazastreifen

Gleichsam jubelten im Gazastreifen Tausende Menschen auf den Straßen nach dem, was die Hamas als „ihren Sieg“ verkaufte. „Es stimmt, dass die Schlacht heute endet. Aber Netanjahu und die ganze Welt sollen wissen, dass wir die Fähigkeiten unseres Widerstandes weiter ausbauen“. Den Wenigsten im Gazastreifen ist allerdings zum Feiern zumute. Bei den Kämpfen, den heftigsten seit dem Krieg von 2014, kamen in der Enklave nach Angaben des dortigen Gesundheitsamtes mindestens 242 Menschen ums Leben, darunter Dutzende von Kindern. In Israel gab es zwölf Todesopfer.  

Brachte keine Lösung

Viele Nahostexperten sind sich einig, dass diese jüngste kriegerische Auseinandersetzung rein gar nichts im Nahostkonflikt gelöst, sondern stattdessen lediglich die Versäumnisse offengelegt habe. „Israel hat sich im vergangenen Jahrzehnt auf den Norden und den Iran konzentriert. Gaza war lediglich eine zweite Front“, schreibt die linksliberale israelische Tageszeitung Haaretz. „Derweil sind die Intentionen und Fähigkeiten der Hamas unterschätzt worden.“ Und so wird der Konflikt weiterschwelen.

Auch mehrere Politiker in Israel kritisierten die Regierung. Gideon Saar, einst Likud-Mitglied, nannte die Entscheidung zur Waffenruhe „peinlich“. Er meint: „Mit den besten Geheimdiensten und der besten Luftwaffe der Welt hat Netanyahu eine ‚Feuerpause ohne Konditionen‘ einer Terrorgruppe bekommen“. Auch Oppositionsführer Yair Lapid (Jesch Atid) meint: „Das Militär hat seinen Auftrag erfolgreich erfüllt – die Regierung hat versagt“.

Die Rolle Bidens

Während der elf Tage dauernden Auseinandersetzung hatte der amerikanische Präsident Joe Biden zunächst verhalten reagiert. Mehrfach blockierten die USA gemeinsame Erklärungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die ein Ende der Gewalt fordern sollten. Washington, Israels engster Verbündeter, wollte stattdessen auf „stille Diplomatie“ setzen.

Die fand in erster Linie am Telefon statt. Viermal rief Biden in den vergangenen Tagen bei Netanyahu an. Dabei habe er stets das Recht Israels auf Selbstverteidigung betont, wurde jedoch mit jedem Gespräch deutlicher. Beim vierten Telefonat habe er klargemacht, er erwarte, dass die „Gewalt noch an diesem Tag stark zurückgefahren“ werde.

Netanyahu, enger Freund und Verbündeter von Ex-Präsident Donald Trump, wollte in der Öffentlichkeit weder als jemand dastehen, der sich Krieg und Frieden diktieren lässt, noch Biden den Triumph gönnen. Er twitterte, er sei entschlossen, die Operation fortzusetzen, bis das Ziel erreicht ist. Am nächsten Tag aber war klar: Dieser Krieg ist vorbei. Zu stark ist der Einfluss der USA in die israelischen Geschicke.

Präsident Abdel Fattah Al-Sisi in Kairo dankte Biden anschließend für seine Unterstützung der ägyptischen Initiative. Beide hätten die Dringlichkeit gesehen, den Konflikt schnell mit diplomatischen Mitteln zu beenden.