Weißrusslands Machthaber Alexander Lukaschenko setzt weiter auf Gewalt, um die Proteste gegen die von Manipulationsvorwürfen überschattete Präsidentenwahl einzudämmen. Seit der Wahl am vergangen Sonntag wurden fast 7000 regierungskritische Demonstranten verhaftet. Zudem gab es offiziellen Angaben zufolge Hunderte Verletzte und zwei Todesopfer.

Am Mittwoch hatten die Behörden den Tod eines 25-Jährigen nach seiner Festnahme in der Stadt Gomel vermeldet. Die Todesursache ist nach wie vor unklar. Am Montag war bereits ein Demonstrant in Minsk zu Tode gekommen - nach Angaben der Regierung, weil ein Sprengsatz in seinen Händen explodierte. Ein Informant der APA aus Minsk, sprach indes allein von mindestens vier Toten am Sonntag und zwei Toten am Montag. Bestätigt werden konnten diese Informationen allerdings nicht.

Der Einsatz der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten sei unglaublich brutal, erzählt der Mittdreißiger. So habe die Polizei die Menschen nicht einmal dazu aufgefordert nach Hause zu gehen, bevor sie Gewalt angewandt hätten. Am Montag sei direkt neben ihm eine Granate explodiert, erzählt der Mann. Von Medizinern sei ihm berichtet worden, dass die Rettungsdienste von den Sicherheitskräften daran gehindert worden seien, Notrufe von Zivilisten entgegenzunehmen. Stattdessen würden Sicherheitskräfte die Anrufe selbst annehmen, um anschließend auszurücken und die Verletzten erneut zu verprügeln.

Nach den Demonstrationen Festgenommene berichten indes von klaren Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention während ihrer Inhaftierung. So erzählt Maria von der Menschenrechtsorganisation Viasna (Wjasna) dem TV-Sender ARTE: "Ein junger Mann hat uns erzählt, dass in einer Zelle mehr als 30 Menschen sitzen. Er war Wahlbeobachter und wurde dabei verhaftet. Bevor er rauskam, wurde er heftig zusammengeschlagen. Er hatte einen blauen Rücken und einen blauen Fuß. Man hat ihn auf die Knie gestellt und ihn gezwungen, die Staatshymne von Belarus zu singen und sich beim Präsidenten zu entschuldigen."

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte am Donnerstag die weißrussischen Behörden auf, die Angriffe auf Journalisten einzustellen. "Es ist erschreckend zu sehen, was die Regierung gewillt ist zu tun, um Informationen über die brutale Niederschlagung der Proteste zu unterdrücken - Reporter mit Schlagstöcken und Gummigeschoßen anzugreifen, ihre Ausrüstung zu zerstören und Dutzende ins Gefängnis zu werfen", sagte Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.

Da das Internet von den Behörden immer wieder abgeschaltet wird, um die Kommunikation der Demonstranten zu behindern, organisieren diese sich etwa über den Instant-Messenger-Dienst Telegram. So erreichte der Telegram-Kanal Nexta live, wo Bilder und Videos von den Demonstrationen hochgeladen werden, in kürzester Zeit 1,7 Millionen Abonnenten.

Doch auch das Mobilfunknetz wurde von den Behörden zeitweise stillgelegt. Dies bestätigte die A1 Telekom Austria, die in Weißrussland mit A1 Belarus und fünf Millionen Abonnenten die Nummer zwei am Mobilfunkmarkt ist, gegenüber dem ORF. So sei das Mobilfunknetz am vergangenen Sonntag von den Behörden stillgelegt worden. Am Mittwoch sei der Zugriff von den staatlichen Behörden dann wieder hergestellt worden.

Protest geht weiter

Trotz all der Schikanen der Behörden wollen die Demonstranten aber nicht aufgeben. So will auch Maria Kolesnikowa, die das Wahlkampfteam für den inhaftierten Oppositionspolitiker Viktor Babariko leitete und sich später mit der Frau des nach Moskau geflohenen Oppositionellen Waleri Zepkalo verbündete, um Swetlana Tichanowskaja als Präsidentschaftskandidatin zu unterstützen, in Minsk bleiben. Tichanowskaja und Zepkalo sind mittlerweile ins Ausland geflüchtet.

Im Vergleich zu früheren Protesten sei interessant, dass dieses Mal nicht nur in Minsk demonstriert werde, sagt Kolesnikowa in einem Interview mit ARTE. "Es gibt mehrere Bewegungen in ganz Weißrussland, in größeren und kleineren Städten." Sie rufe zu friedlichen Protesten auf, betont sie. Von Europa Sanktionen gegenüber dem Regime zu fordern, sei ihrer Meinung aber nach noch zu früh. Stattdessen solle die Europäische Union dabei helfen, die Gewalt zu stoppen und sich für Neuwahlen einsetzen. Außerdem müssten sich die Europäer für die Freilassung aller Gefangenen einsetzen "und vielleicht helfen, einen Dialog mit dem weißrussischen Machthaber" aufzubauen. Um sich Lukaschenko darauf einlässt, ist freilich offen.