Sozialdemokraten haben Europa lange Zeit maßgeblich geprägt. In den vergangenen Jahren mussten sie jedoch bei Wahlen in mehreren Ländern, darunter in Österreich, herbe Verluste einstecken, in einigen Staaten verschwanden sie nahezu in der Bedeutungslosigkeit. Dass sie aber noch nicht ganz dem Untergang geweiht sind, zeigen Ergebnisse in Skandinavien und Spanien. Eine Auswahl:

DEUTSCHLAND: Bei den Bundestagswahlen 2017 hatten die Sozialdemokraten mit rund 21 Prozent das bis dato schlechteste Nachkriegsergebnis der SPD eingefahren. Das Fass zum Überlaufen brachte aber der Absturz auf 15 Prozent und auf den dritten Rang hinter Union und Grüne bei den EU-Wahlen. Mit dem Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Vorsitzende hat die turbulente Führungsdebatte wieder an Fahrt aufgenommen. Nahles hatte bereits 2018 den Posten mit dem Auftrag übernommen, die Partei wieder auf Schiene zu bringen. Einige Experten meinen, der Gang in die Opposition hätte den Sozialdemokraten besser getan, als die Fortsetzung der Großen Koalition mit der Union.

FRANKREICH: Völlig verschwunden vom Radar der französischen Wähler scheint die einst stolze Parti Socialiste (PS) zu sein. Nach dem desaströsen Abschneiden ihres Kandidaten Benoit Hamon bei den Präsidentschaftswahlen 2017 mit nur 6,36 Prozent der Stimmen musste die einstige Großpartei auch eine vernichtende Niederlage bei den darauffolgenden Parlamentswahlen hinnehmen. Zwei Jahre später folgte der Absturz bei den EU-Wahlen, bei der sie es gerade noch über die Fünf-Prozent-Hürde schaffte. Die Wähler wandten sich laut Experten von der Partei ab, nachdem der sozialistische Präsident Francois Hollande entgegen seinen Versprechungen eine unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik betrieb. Andere liefen zum liberalen Emmanuel Macron über.

POLEN: Die Sozialdemokraten (PPS) liegen seit mehreren Jahren am Boden. Bei der Wahl im Oktober 2015 kamen sie in einem linken Verbund nur auf 7,6 Prozent und damit nicht über die Sperrklausel von acht Prozent für Wahlbündnisse. Seitdem sind sie nicht mehr im Parlament vertreten. Prominentester Sozialdemokrat war Aleksander Kwasniewski, Staatspräsiden von 1995 bis 2005.

GRIECHENLAND: Ein weiteres Beispiel für den rasanten Niedergang sozialdemokratischer Parteien ist die PASOK. Sie stellte zwei Jahrzehnte bis 2011 den Ministerpräsidenten in Griechenland. In der Finanzkrise gab der sozialistische Regierungschef Giorgios Papandreou Ende 2011 auf. Von mehr als 43 Prozent der Wählerstimmen im Jahr 2009 sackte sie bei der zweiten Wahl des Jahres 2015 auf 6,3 Prozent ab, die linkspopulistische SYRIZA übernahm die Regierungsgeschäfte. Die aus der PASOK hervorgegangene "Bewegung der Veränderung" (KinAl) konnte aber mit dem dritten Platz bei den EU-Wahlen einen kleinen Erfolg feiern.

ITALIEN: 15 Monate nach der historischen Pleite bei den Parlamentswahlen im März 2018 spüren Italiens Sozialdemokraten (PD) wieder einen leichten Rückenwind. Bei den EU-Wahlen hatten sie im Vergleich zum Urnengang 2014 zwar fast die Hälfte eingebüßt, bezüglich der Parlamentswahlen aber wieder ein paar Punkte gutgemacht und es immerhin auf Platz zwei geschafft. Beobachter rechnen den Erfolg auch dem neuen Parteichef Nicola Zingaretti zu. Der 53-Jährige verpasste der Partei wieder einen deutlichen Linksruck. Unter den Sozialdemokraten galt er als Reaktion auf ihren ehemaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi, dieser war 2014 mit einem stark liberalen Programm angetreten.

NIEDERLANDE: Der "Timmermans"-Effekt sorgte in den Niederlanden bei den EU-Wahlen für eine große Überraschung. Die Parlamentswahlen 2017 endeten für die sozialdemokratische Arbeitspartei (PvdA), die mehrfach den Regierungschef gestellt hatte, mit einem Minus von 20 Prozentpunkten in einem Fiasko. Im Mai feierten sie dann ein fulminantes Comeback: Der bisherige EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans, europaweiter Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, brachte seine Partei zurück an die Spitze - und das mit einen guten Vorsprung auf die regierende, rechtsliberale VVD. Beobachter sehen darin ein Rezept zur Wiederauferstehung einer Partei: eine mutige Führungspersönlichkeit, relevante Botschaften und das berühmte "Momentum".

SPANIEN: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort war wohl auch Pedro Sanchez. Der Sozialist kam im Juni 2018 durch ein Misstrauensvotum gegen seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy an die Macht, nachdem dessen Volkspartei (PP) wegen Korruption und illegaler Parteifinanzierung von einem Gericht offiziell verurteilt worden war. Rund ein Jahr später fuhr "El Guapo" (der Hübsche), so sein Spitzname, bei den vorgezogenen Parlaments- sowie bei den EU-Wahlen einen deutlichen Sieg ein - ein sozialdemokratisches Märchen quasi: Denn 2016 hätte wohl kaum einer auf Regierungschef Sanchez gewettet. Mit ihm an der Spitze fuhren die Sozialdemokraten (PSOE) ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Der Wirtschaftsdozent wird gestürzt, sitzt aber 2017 nach einer Werbetour durchs Land wieder im Chefsessel. Der Frust der Bürger über die Korruptionsskandale in der PP kam den Sozialdemokraten auch nicht ungelegen.

DÄNEMARK: Die Sozialdemokraten in Dänemark waren nie schwach. Nachdem sie aus den Parlamentswahlen 2015 mit Helle Thorning-Schmidt an der Spitze hervorgingen, fehlte jedoch die Mehrheit im linken Block, die eine Minderheitsregierung stützen hätte können. Massive Zugewinne konnte indes die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) feiern, die eine Regierung unter dem rechtsliberalen Lars Lökke Rasmussen ermöglichte. Das sollte nicht noch einmal passieren: Die Nachfolgerin von Thorning-Schmidt, Mette Frederiksen, konnte mit einem verschärften Migrationskurs, der dem der FPÖ ähnelt, den Rechtspopulisten das Wasser abgraben und Stammwähler aus der Arbeiterklasse zurückholen. Antworten hatte Frederiksen auch auf Klima-Fragen: Die Parlamentswahlen Anfang Juni gewann sie, im Folketing will sie sich je nach Themen eine Mehrheit suchen: die rechten Parteien für die Asylpolitik, die linken für die Sozialreformen.

SCHWEDEN: Wenn es ein Land der Sozialdemokraten gibt, dann ist das wohl Schweden - zumindest noch. Bei den Parlamentswahlen konnten die Sveriges socialdemokratiska arbetareparti (SAP) von Stefan Lövfen mit 28,4 Prozent den ersten Platz verteidigen. Während die meisten ihrer europäischen Kollegen von so einem Ergebnis nur träumen können, ist es für die SAP das schlechteste seit mehr als 100 Jahren: Nur selten lag ihr Resultat bei unter 40 Prozent. Zuletzt machte sich jedoch ein schleichender Dominanzverlust der Sozialdemokraten bemerkbar: Zwischen 2006 und 2014 regierte das bürgerliche Lager, nur dank der Grünen konnte die SAP danach wieder den Ministerpräsidenten stellen. Selbst die bürgerliche Opposition stützte die Minderheitsregierung - alles nur um die rechtspopulistischen Schwedendemokraten auszuschließen. Ein deutlicher Zugewinn der ausländerfeindlichen Partei bei der Wahl zum Reichstag 2018 brachte den Abwehrdamm aber erneut gehörig ins Wanken, letztlich konnte Löfven aber doch wieder eine Minderheitsregierung bilden.