Der Rechtsaußenpolitiker Jair Bolsonaro lenkt künftig die Geschicke Brasiliens: Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft im größten Land Lateinamerikas setzte sich der ultrarechte Politiker am Sonntag mit 55 Prozent der Stimmen deutlich gegen den Linkskandidaten Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT) durch.

Nach seinem Sieg kündigte der 63-jährige Populist an, er wolle Brasilien zu einer "großen Nation machen". "Gemeinsam werden wir Brasiliens Schicksal verändern", sagte Bolsonaro in seiner auf Facebook übertragenen Siegesrede. "Wir können nicht länger mit dem Sozialismus, dem Kommunismus, dem Populismus und dem Linksextremismus flirten." Zugleich beteuerte der Anhänger der Militärdiktatur der Jahre 1964 bis 1985, er werde "Verfassung, Demokratie und Freiheit" verteidigen. Das sei "ein Schwur vor Gott".

Bolsonaro war nach seinem Sieg in der ersten Runde als Favorit in die Stichwahl gegangen. Er übernimmt das Präsidentenamt am 1. Jänner 2019 vom scheidenden Staatschef Michel Temer. Am Dienstag reist er bereits nach Brasília, um die Amtsübergabe vorzubereiten. Geplant sind dabei Treffen mit Temer, dem Stabschef der Armee und dem Präsidenten des Obersten Gerichts.

Der mit rund 45 Prozent unterlegene Linkskandidat Haddad warnte, mit Bolsonaros Wahlsieg seien die bürgerlichen, politischen und sozialen Rechte der Brasilianer bedroht. In der Opposition wolle er jetzt "die Interessen der Nation" verteidigen.

Nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses feierten Zehntausende Anhänger Bolsonaros auf dem Strand von Barra da Tijuca in Rio de Janeiro. "Wir sind das empörte Volk, das an der Gewalt und der Korruption verzweifelt", sagte der Unternehmer André Luiz Lobo. Auch in der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo feierten zahlreiche Anhänger Bolsonaros.

Wirtschaftlich steht Bolsonaro für einen neoliberalen Kurs, der ihn zum bevorzugten Kandidaten für die Finanzmärkte machte. Investoren schielen auf Bolsonaros Favoriten für das Amt des Finanzministers, den in Chicago ausgebildeten Ökonomen und Investment-Banker Paulo Guedes. Guedes will hunderte staatliche Unternehmen privatisieren, darunter Teile des Ölkonzerns Petrobras und des Versorgers Electrobras. Allerdings kollidiert seine Idee von freier Marktwirtschaft mit den Vorstellungen der einflussreichen Generäle, die Bolsonaro an die Macht verholfen haben. Sie wollen strategisch wichtige Unternehmen lieber in Staatshand halten.

Brasilien steckt in einer schweren Krise. Zahlreiche Bestechungsskandale haben die politische Führung des Landes erschüttert. Nach einer schweren Rezession erholt sich die Wirtschaft nur langsam, zugleich grassieren Kriminalität und Gewalt. Darüber hinaus hinterlässt der erbittert geführte Präsidentschaftswahlkampf tiefe Risse in der Gesellschaft.

"Trump Brasiliens"

Bolsonaro, der häufig als "Donald Trump Brasiliens" bezeichnet wird, empfiehlt sich als "Saubermann". Der ehemalige Fallschirmjäger und Hauptmann der Reserve sorgte in der Vergangenheit allerdings immer wieder mit rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Äußerungen für Empörung.

"Die Wahl Bolsonaros birgt Risiken für Indigene, Kleinbauern, Homosexuelle, Schwarze, Frauen und Aktivisten", sagte die Amerika-Chefin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Erika Guevara-Rosas. Der Brasilienexperte Norbert Bolte vom Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat erklärte: "Bolsonaro will zurück in die Militärdiktatur. Auch wenn alle hoffen, dass seiner Rhetorik keine Taten folgen, sollte man sich da keinen Illusionen hingeben."

In seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg gab sich Bolsonaro zunächst versöhnlich. Er sprach von einem "Brasilien der unterschiedlichen Meinungen, Farben und Orientierungen." In dem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf hatte Bolsonaro noch Minderheiten und Linke verunglimpft und "Säuberungen" angekündigt.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) rief unmittelbar nach dem Wahlsieg des Rechtsaußenpolitikers zur Achtung der Demokratie auf. HRW stehe an der Seite der "unabhängigen Richter, engagierten Staatsanwälte, mutigen Journalisten und der lebhaften Zivilgesellschaft", um die nach der Militärdiktatur errungenen demokratischen Rechte und Institutionen in Brasilien zu verteidigen.