Bolsonaro provoziert immer wieder mit Ausfällen gegen Frauen, Schwarze und Homosexuelle sowie mit seiner Sympathie für die Militärdiktatur (1964-1985). Allerdings profitiert er von der Wut vieler Brasilianer über die jüngsten Korruptionsskandale und die zunehmende Gewalt im Land.

Dieser Wechselstimmung hat Haddad wenig entgegenzusetzen. Das Image seiner Arbeiterpartei ist nach Lateinamerikas größter Schmiergeldaffäre "Lava Jato" (Autowäscherei) schwerbeschädigt. Haddads politischer Ziehvater, Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, sitzt wegen Korruption im Gefängnis.

Im Falle eines Wahlsiegs will Bolsonaro das Waffenrecht liberalisieren, gegen Homoehe und Abtreibung eintreten sowie die Rechte indigener Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet beschneiden. Beobachter befürchten eine Zunahme der Gewalt sowie negative Auswirkungen auf den internationalen Klimaschutz und die soziale Lage im größten Land Südamerikas.

"Die Situation beunruhigt uns zutiefst", sagte der Generaldirektor der Caritas Brasilien, Luiz Claudio Lopes da Silva. "Nach den bisherigen Aussagen des Kandidaten kann man sich vorstellen, was ein Wahlsieg Bolsonaros bedeuten würde. Er würde das Leid und den Hunger der Armen und Schutzbedürftigen in Brasilien weiter vergrößern."

Die katholische Hilfsorganisation befürchtet vor allem, dass Bolsonaro Hand an die Territorien der indigenen Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet legen könnte. "Das wäre ein glatter Bruch der Verfassung", sagte Lopes da Silva. Bolsonaro will die Polizei zu robusten Einsätzen in den Favelas ermutigen und den Zugang zu Waffen für Privatleute vereinfachen. Das könnte die ohnehin schon weitverbreitete Gewalt noch einmal befeuern. Im vergangenen Jahr wurden bereits 63.000 Menschen in Brasilien getötet.

Starken Rückhalt hat Bolsonaro auch in der mächtigen Agrarlobby. Auf dem Land werden viele Konflikte mit brutaler Gewalt ausgetragen. Mindestens 57 Menschen wurden im vergangenen Jahr im Zuge von Landkonflikten getötet - laut der Nichtregierungsorganisation Global Witness die höchste Zahl weltweit. "Die Agrarindustrie ist die Branche, die am stärksten in die Morde verwickelt ist", heißt es in einem Bericht.

Großgrundbesitzer, illegale Holzfäller und Bergbauunternehmen könnten sich durch einen Wahlsieg von Bolsonaro ermutigt fühlen, noch härter gegen Indigene und Kleinbauern vorzugehen. "Die Rechte der indigenen Völker nicht zu respektieren, kann zu viel Gewalt führen", sagt Carlos Rittl von der Beobachtungsstelle für das Klima.