Der Mord des russischen Kriegsschriftstellers und Bloggers Arkadi Babtschenko am Dienstagabend in Kiew wurde bis zum Mittwochabend in dieser Version erzählt: Man lauerte ihm im Treppenhaus auf, schoss ihm dreimal in den Rücken, dann erlag er im Notarzt-Wagen. Aber dann trat das vermeintliche Opfer auf einer Pressekonferenz des ukrainischen Staatssicherheitsdienst FSB auf. Dabei stellte sich heraus, dass das Attentat inszeniert worden war.

„Soweit ich weiß, wurde diese Operation zwei Monate vorbereitet. Mich informierte man vor einem Monat“, sagte Babtschenko. „Den ganzen Monat waren wir in Verbindung, arbeiteten und handelten.“ Wie SBU-Chef Wasili Grizak erklärte, habe der russische Geheimdienst einen ukrainischen Donbass-Veteranen angeworben, um Babtschenko für 30.000 Dollar zu ermorden. Insgesamt sei geplant gewesen, 30 Menschen umzubringen. Babtschenko erklärte, die Auftraggeber hätten dem Mörder und seinen Helfershelfern eine Fotografie von ihm gezeigt, die es nur in zwei Exemplaren gäbe: In seinem russischen Personalausweis und im russischen Passamt. Diese Tatsache zeige, dass die staatliche Dienste Russlands an den Mordplan beteiligt gewesen seien. Der Killer selbst sei gestern verhaftet worden.

Babtschenko entschuldigte sich bei seiner Frau und seinen Freunden. „Ich habe selbst viele Freunde und Kollegen beerdigt. Und ich weiß, dass das Gefühl zum Kotzen ist, wenn man seine Kollegen zu Grabe trägt.“

In Kiew und Moskau war bereits ein Propagandakrieg um die Ermordung ausgebrochen. Der ukrainische Premier Wolodomir Groisman bloggte, er sei überzeugt, dass die totalitäre Maschine Russlands Babtschenko seine Ehrlichkeit und Standhaftigkeit nicht verziehen habe. Russlands Außenminister Sergei Lawrow konterte, solche Vorwürfe noch vor Beginn der Ermittlungen folgten einer internationalen Mode. Jetzt könnte Lawrow in Erklärungsnot geraten, wenn sich die Angaben über die Beteiligung der Geheimdienste bestätigen.

Der 41-Jährige gilt als nervenstark. Er kämpfte als russischer Soldat in beiden Tschetschenienkriegen, schrieb bedrückende Erzählungen darüber. Als  Kriegsberichterstatter im Donbass 2014, bei der Belagerung der Rebellenhochburg Slawjansk, schlugen ihn ukrainische Fallschirmjäger zusammen, stülpten einen Sack über seinen Kopf und simulierten seine Erschießung. Weil sein Gefährte, ein Kiewer TV-Journalist, gegen die Vereinbarung verstoßen hatte, keine Fotos mit den Gesichtern der Soldaten zu veröffentlichen.

2017 verließ er Russland, war in Medien als „Volksfeind“ beschimpft worden. Er landete als „Russophober“ auf einer schwarzen Liste des nationalistischen TV-Kanals Zargrads. Der Blogger ging nach Kiew, griff das Regime in Russland weiter mit radikalen Texten an.

Am Morgen seines vermeintlichen Todestages postete Babtschenko noch, vor vier Jahren hätte ihn im Donbass ein ukrainischer General nicht in seinen überfüllen Hubschrauber einsteigen lassen, der sei dann abgeschossen worden. „Glück gehabt. Mein zweiter Geburtstag.“ Gemeindienstchef Grysnak gratulierte dem zwischenzeitlich für tot erklärten Babtschenko gestern zu dessen dritten Geburtstag. Russen und Ukrainer eint immerhin ihr schwarzer Humor.