Dem Euro-Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitäts-Mechanismus) drohen wegen der niedrigen Zinsen auf sichere Geldanlagen wie österreichische oder deutsche Staatsanleihen Verluste. Nach Reuters am Freitag vorlegenden internen ESM-Unterlagen steckten Ende März bereits 52 Prozent der ESM-Gelder in Papieren mit negativer Rendite fest. Um Verluste zu vermeiden, will der ESM seine Anlagenrichtlinien lockern.

Er könnte dann in Papiere investieren, die eine höhere Rendite abwerfen, aber auch größere Risiken bergen. Bei den angelegten ESM-Geldern handelt es sich um rund 80 Mrd. Euro, die die Euro-Staaten als Grundkapital in den 2012 gegründeten Fonds eingezahlt haben. Aus Deutschland kamen davon rund 22 Mrd. Euro.

Verlust auf das eingezahlte Kapital

In einem Reuters vorliegenden vertraulichen Schreiben bittet das deutsche Finanzministerium den Bundestags-Haushaltsausschuss, der Änderung der ESM-Anlagerichtlinie zuzustimmen. Hintergrund sei, dass Renditen der Vermögenswerte, die der Fonds derzeit erwerben dürfe, "zunehmend niedrig bzw. negativ" seien. "Dies kann zu Verlusten auf das eingezahlte Kapital führen", warnt das Ministerium die Abgeordneten.

Den ESM-Unterlagen zufolge drohen die negativen Renditen den für dieses Jahr erwarteten ESM-Gewinn um etwa 31 Mio. Euro und 2016 um 24 Mio. Euro zu mindern, sollten die vom ESM gekauften Wertpapiere bis zur Fälligkeit gehalten werden. Um die Auswirkungen der niedrigen Zinsen zu verringern, hat der Fonds eigenen Angaben zufolge seinen Bestand an Anleihen mit extrem niedrigen Renditen bereits abgebaut. Dies reicht aber wegen der Beschränkungen der Anlage-Richtlinie nicht aus. Die ESM-Spitze hat deshalb am 20. Mai eine Lockerung der Anlage-Richtlinie auf den Weg gebracht. Das deutsche Finanzministerium würde der Änderung gerne zustimmen, braucht dazu aber grünes Licht vom Bundestag.

Mindest-Anforderung

Konkret will der ESM zum Beispiel die Erlaubnis erhalten, einen größeren Teil seines Grundkapitals in Papiere staatlicher Behörden aus Nicht-Eurostaaten anzulegen. Auch soll die Mindest-Anforderung an die Bonität einiger Papiere um eine Note von AA auf A sinken. Nach Darstellung des ESM hätten diese Änderungen nur geringe Auswirkungen auf die Qualität des Portfolios.

Mit seinen Renditeproblemen reiht sich der ESM ein in eine lange Schlange von Investoren, die wegen der Mini-Zinsen an den Kapitalmärkten händeringend nach neuen Anlagen suchen. Dazu zählen Versicherungen, Renten- und Pensionsfonds und andere auf Sicherheit ausgerichtete Anleger. So wirft eine zehnjährige Bundesanleihe derzeit am Markt nur eine Rendite von 0,5 Prozent ab. Im Fall des ESM kommt allerdings hinzu, dass die Zinsen in Europa nicht zuletzt wegen der Schuldenkrise so niedrig sind - damit holen die Probleme die Euro-Staaten beim ESM selbst ein.