Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat westlichen und ukrainischen Geheimdiensten vorgeworfen, den Anschlag auf einen Konzertsaal bei Moskau unterstützt zu haben. „Wir glauben, dass die Aktion sowohl von den radikalen Islamisten selbst als auch von westlichen Geheimdiensten vorbereitet wurde“, zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Dienstag FSB-Chef Alexander Bortnikow. Konkret nannte er die USA, Großbritannien und die Ukraine.

Geheimdienste westlicher Staaten sowie der Ukraine hätten den Anschlag gebraucht, um Panik in Russland auszulösen. Die ukrainischen Dienste seien „unmittelbar involviert“, fügte Bortnikow hinzu. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sei ein „legitimes Ziel“.

Viele Behauptungen, wenig Beweise

Nach Angaben des FSB wurde der Auftraggeber des Anschlags noch nicht identifiziert. Russland verstehe jedoch, wer die Angriffe organisiert habe, sagte Bortnikow. Seinen Angaben zufolge hatten die mutmaßlichen Angreifer vor, in die Ukraine zu fliehen. Dort hätten sie „als Helden“ begrüßt werden sollen. Beweise für seine Behauptungen legte der FSB-Chef nicht vor.

Ungeachtet glaubwürdiger Bekennerschreiben islamistischer Terroristen schrieb auch der Sekretär von Russlands nationalem Sicherheitsrat, Nikolai Patruschew, Kiew die Verantwortung für den Anschlag zu. Das russische Nachrichtenportal Shot veröffentlichte ein Video, in dem einer seiner Reporter Patruschew im Vorbeigehen nach den Verantwortlichen fragt: „ISIS oder Ukraine?“ Patruschew antwortet: „Natürlich die Ukraine“. Wenig später ruderte Patruschew wieder etwas zurück und sagte einem russischen Fernsehreporter mit Blick auf eine vermeintliche ukrainische Beteiligung: „Es deutet viel darauf hin.“ Er räumte nun aber auch ein, dass die Ermittlungen noch im Gange seien, das Ergebnis bleibe abzuwarten.

IS-Bekennerschreiben werden ignoriert

Die Ukraine wies auch diesmal die Vorwürfe umgehend zurück. Das seien Lügen, erklärte der enge Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). „Die Lügen werden offiziell verbreitet von Patruschew und danach vom FSB-Chef Bortnikow.“

Zu dem Anschlag in Moskau hat sich bereits mehrfach die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) bekannt. Westliche Sicherheitsbehörden und Experten halten das auch für glaubwürdig und vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) dahinter. Trotzdem behaupten russische Vertreter seit Tagen und ohne Vorlage von Beweisen, die Ukraine könnte verwickelt sein.

Kreml-Chef Wladimir Putin trat unterdessen etwas zurückhaltender auf. Er zähle darauf, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft alles dafür tun werde, „dass die Verbrecher eine gerechte Strafe erhalten, so wie es das russische Gesetz vorschreibt“, sagte er am Dienstag. Am Montag hatte Putin bestätigt, dass der Angriff auf die Crocus City Hall mit fast 140 Toten von islamistischen Terroristen ausgeführt wurde. Zugleich machte er wie schon am Wochenende deutlich, dass er eine ukrainische Spur sieht. Russland wolle wissen, „wer der Auftraggeber ist“. Putin geht demnach davon aus, dass Islamisten zwar den Auftrag für den Massenmord ausgeführt haben, die Drahtzieher aber anderswo sitzen. Ein Motiv sieht er in der Ukraine, nicht beim IS.

Achter Verdächtiger in Haft

Vier Tage nach dem Anschlag kam indes ein achter Verdächtiger in Untersuchungshaft. Dem aus Kirgistan stammenden Mann mit russischer Staatsbürgerschaft wird vorgeworfen, den vier aus Tadschikistan stammenden mutmaßlichen Attentätern Unterschlupf gewährt zu haben, wie die Nachrichtenagentur Tass berichtete. Vor Gericht soll der 31-Jährige allerdings abgestritten haben, dass er von den Anschlagsplänen wusste. Stattdessen habe er sie für normale Mieter gehalten.

Der russische Inlandsgeheimdienst rief die russische Bevölkerung unterdessen dazu auf, bei der Verhinderung potenzieller Anschläge mitzuwirken. Aufrufe zur Verübung von Angriffen in Russland sollten umgehend gemeldet werden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur TASS am Dienstag.

Wie aus türkischen Sicherheitskreisen verlautete, sollen sich zwei der Beschuldigten vor dem Anschlag in der Türkei aufgehalten haben. Die Männer seien mit demselben Flug am 2. März von Istanbul nach Moskau gereist, es sei kein Haftbefehl gegen sie vorgelegen, weshalb sie ungehindert reisen konnten. Nach Informationen aus türkischen Sicherheitskreisen sagte einer der beiden aus, dass er in die Türkei gereist sei, weil sein Visum für Russland abgelaufen sei.

140 Tote

Nach dem verheerenden Anschlag bei Moskau am Freitagabend, bei dem fast 140 Menschen getötet wurden, befragten russische Ermittler tadschikischen Sicherheitskreisen zufolge am Dienstag Familienmitglieder der vier mutmaßlichen Attentäter. Die Familien seien für die Befragung aus verschiedenen Teilen Tadschikistans in die Hauptstadt Duschanbe gebracht worden.

Die russische Strafverfolgung nahm bislang elf Verdächtige im Zusammenhang mit dem tödlichen Angriff fest, darunter die vier Männer, die sie als mutmaßliche Angreifer bezeichnet.