Die Veranstaltung in Wien hatte schon im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Denn auf der Teilnehmerliste der Podiumsdiskussion in der Diplomatischen Akademie steht neben anderen bosnischen Spitzenpolitikern auch Milorad Dodik, die wohl umstrittenste politische Figur des Landes. Vedran Džihić, Südosteuropa-Experte am Österreichischen Institut für Internationale Politik, spricht von einem „schweren Fehler“, die vom Außenministerium mitfinanzierten Diplomatischen Akademie, die ihren Festsaal für die Veranstaltung vermietet hat, muss sich rechtfertigen, dass Dodik in ihren Räumlichkeiten eine Bühne geboten wird.

Der Publikums- und Medienandrang ist dennoch riesig. Als es nach der Diskussionsrunde für einige wenige Medien zum Interview mit Dodik in einen kleinen Nebenraum geht, macht sein Stab allerdings deutlich, dass alles schnell gehen muss. In den knapp 10 Minuten pro Person bleibt de-facto keine Zeit, um bei kontroversiellen Äußerungen nachzuhaken, auch wichtige Themenkomplexe, wie etwa das Srebrenica-Massaker, das Dodik immer wieder relativiert hat, können in dem engen Rahmen nicht angesprochen werden. Dennoch liefert das kurze Gespräch einen Einblick in die Gedankenwelt jenes Mannes, der die EU-Beitrittsgespräche, für die Brüssel zu Wochenbeginn grünes Licht gegeben hat, entscheidend mitbestimmen wird.

Bosnien-Herzegowina ist seit dem 1995 zu Ende gegangenen Krieg, der rund 100.000 Tote gefordert hat, in zwei weitgehend autonome Landesteile aufgeteilt: die bosniakisch-kroatische Föderation und die serbisch dominierte Republika Srpska, der Dodik als Präsident vorsteht. Über die Einhaltung des Friedens-Vertrags von Dayton wacht der Internationale Hohe Repräsentant, der auch Gesetze erlassen darf, wenn die zerstrittenen politischen Lager keine Kompromisse finden. Und gleich zu Beginn des Gespräches macht Dodik deutlich, worum es ihm vor allem geht: Der Hohe Repräsentant, derzeit der Deutsche Christian Schmidt, mit dem Dodik im erbitterten Dauerclinch liegt, muss weg. „Es sollten nicht ausländische Behörden darüber entscheiden, in welche Richtung das Land gehen soll“, sagt Dodik. Vielleicht könnten ja die EU-Beitrittsgespräche die Dinge hier in Bewegung bringen.

Milorad Dodik beim Interview mit der Kleinen Zeitung
Milorad Dodik beim Interview mit der Kleinen Zeitung © Aufreiter Georg

„Fortführung Bosniens war ein Fehler“

Doch der Präsident der Republika Srpska hat nicht nur ein Problem mit dem Amt des hohen Repräsentanten, sondern mit der in Dayton entworfenen Staatskonstruktion an und für sich. „Es war ein Fehler, dass es 1995 erlaubt wurde, dass Bosnien-Herzegowina fortgesetzt wird. Und diesen Fehler leben wir nun 30 Jahre lang“, sagt Dodik. Von vielen westlichen Regierungen wird der Präsident der Republika Srpska daher als potenzieller Sprengmeister des bosnischen Gesamtstaates gesehen, der mit nationalistischen Muskelspielen die ohnehin tiefen Gräben zwischen den Volksgruppen noch tiefer macht. Kritik aus dem Ausland, wie etwa von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg, der Dodik als jemanden beschrieben hat, der „mit dem Feuer neben einem Pulverfass spielt“, wischt der 65-Jährige im Gespräch mit der Kleinen Zeitung vom Tisch. „Ich denke, Ihr Minister ist anfällig für negative Propaganda“, sagt Dodik. Er wüsste auch nicht, wieso ein österreichischer Minister das Recht haben sollte, die Lage in Bosnien-Herzegowina zu kommentieren. 

Dass die Bedenken nicht unbegründet sind, wird während des Interviews deutlich. Denn Dodik, der schon in der Vergangenheit immer wieder mit der Abspaltung der Republika Srpska gedroht hat, lässt auch diesmal klar durchscheinen, dass eine Sezession und ein allfälliger Anschluss an Serbien trotz der Fortschritte im EU-Annäherungsprozess für ihn nicht vom Tisch sind. „In der Republika Srpska leben 90 Prozent Serben. Und ich denke, dass es vollkommen logisch ist, dass die Serben als einheitliches Volk nach ihrer politischen und kulturellen Integration streben“, erklärt Dodik. „Das ist angemessen und legitim.“ Dass der Anteil der Serben heute so hoch ist, weil andere Bevölkerungsgruppen während des Bosnien-Kriegs gewaltsam vertrieben wurden, erwähnt Dodik freilich nicht. 

Für die EU dürften die Beitrittsgepräche damit zum Minenfeld werden. Denn Dodik gilt auch als stark pro-russisch, seit dem Überfall auf die Ukraine hat er den russischen Präsidenten Wladimir Putin schon vier Mal besucht und dabei immer wieder den „westlichen Druck“ beklagt. Den Präsidenten der Republika Srpska ficht das alles allerdings nicht an. „Ich bin pro-serbisch orientiert“, sagt er am Ende des Gesprächs. „Und ich halte mich nur an die Verfassung von Bosnien und Herzegowina.“