Die Uhr tickt. Spätestens im nächsten Jahr muss Österreich der EU-Kommission seinen „Nationalen Energie- und Klimaplan“ (NEKP) vorlegen und darin plausibel darstellen, mit welchen Maßnahmen das Land seine Klimaziele für das Jahr 2030 erreichen möchte. Jetzt zeigen neue Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA): Selbst wenn jene Klimavorhaben eingerechnet werden, die bislang nur als politische Pläne existiert haben, rasselt das Land an den Vorgaben deutlich vorbei. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) will gegensteuern und hat einen öffentlichen Konsultationsprozess ausgerufen, an dessen Ende ein Maßnahmenpaket stehen soll, das den EU-Zielen tatsächlich gerecht wird.

Gegenüber den anderen EU-Staaten ist Österreich in der Pflicht, seine Treibhausgasemissionen (ohne den Sektor Industrie) bis 2030 um 48 Prozent unter den Wert von 2005 zu bringen. Bislang (Stand: 2021) hält die Republik erst bei etwa minus 14 Prozent. Bereits im April wurden Berechnungen des Umweltbundesamts bekannt, wonach die bis Ende 2021 fix beschlossenen Klimamaßnahmen die Emissionen zwar weiter sinken lassen, allerdings nur auf ein Minus von 27 Prozent. Jetzt legte das Umweltbundesamt für den ersten Entwurf des NEKP die nächste Berechnung vor, die auch jene Maßnahmen einpreist, die politisch anvisiert, allerdings noch nicht in trockenen Tüchern sind. In diesem Fall erwarten die Fachleute bis 2030 einen Emissionsrückgang von immerhin 35 Prozent. Doch es bleibt immer noch eine Lücke von 13 Prozentpunkten bzw. mehr als sieben Millionen Tonnen an überschüssigen jährlichen CO₂-Emissionen.

Spritpreis von zwei Euro erwartet

Dabei haben die Experten für das Szenario unter anderem angenommen, dass sowohl das zwischen Grünen und ÖVP höchst umstrittene Klimaschutzgesetz mit fixen Sektorzielen beschlossen wird, als auch das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz mit dem schleichenden Ausstieg aus fossilen Heizsystemen, das bisher im Nationalrat ohne Zweidrittelmehrheit geblieben ist, wie Günther Lichtblau, Klimaexperte im Umweltbundesamt, erläutert. "Beim Sprit erwarten wir bis 2030 Preise von rund zwei Euro pro Liter, die Elektromobilität wird stark zulegen. Beim Verkehr und im Gebäudesektor sehen wir dann eine deutliche CO₂-Reduktion, aber in Summe genügen die Rückgänge nicht."

Die Lösung des Problems soll ein öffentlicher Beteiligungsprozess bringen. "Wir müssen und werden auch die verbleibende Lücke schließen, und ich lade alle dazu ein, Ideen und Vorschläge einzubringen, wie das gelingen kann", sagt Gewessler. Der entsprechende "Konsultationsprozess" startet offiziell am Mittwoch (5. Juli) mit Arbeitsgruppen aus Ministerien, Interessensvertretungen und anderen Beteiligten und soll bis 31. August laufen. "Danach werden wir ein fixes Maßnahmenpaket schnüren und der EU-Kommission zur Stellungnahme übermitteln", sagt Gewessler.

"Was nicht geht"

Welche Maßnahmen konkret darin enthalten sein sollen, will die Ministerin "nicht vorwegnehmen", stellt aber klar: "Wir brauchen Vorschläge, die uns helfen, das Ziel zu erreichen. Was wir nicht brauchen, sind Aussagen, was alles nicht geht." Dass Österreichs Emissionstrends nun zumindest nach unten zeigen, verbucht Gewessler als Erfolg. "Das hat es so noch nie gegeben und zeigt, dass wir in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchaus etwas weitergebracht haben."

Klimaministerin Leonore Gewessler und Günther Lichtblau, Klimaexperte des Umweltbundesamts, präsentierten die neuen Berechnungen
Klimaministerin Leonore Gewessler und Günther Lichtblau, Klimaexperte des Umweltbundesamts, präsentierten die neuen Berechnungen © APA/GEORG HOCHMUTH

Kritik an den Plänen kommt von Umweltorganisationen. "Das heute vorgestellte Dokument ist ein zahnloser Papiertiger, aber kein Plan, wie wir die österreichischen Klimaziele bis 2030 erreichen können", sagt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000. Der gestartete Konsultationsprozess sei positiv, hätte aber schon viel früher begonnen werden müssen, heißt es auch bei Greenpeace und WWF, die sich ein ambitioniertes Vorangehen der Regierung wünschen würden. Die Proponenten des Klimavolksbegehrens, das vor zwei Jahren 380.000 Unterzeichner fand, fordern die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen und Energiesparmaßnahmen und verweisen auf die jüngsten Berechnungen des Finanzministeriums, wonach Österreich zur Kompensation der Klimaversäumnisse Zahlungen von 4,7 Milliarden Euro drohen.

Starker Rückgang im Vorjahr

Zumindest kurzfristig gute Nachrichten hat UBA-Experte Lichtblau im Gepäck. Im Vorjahr dürften den vorläufigen Zahlen nach die Treibhausgasemissionen Österreichs um sechs bis sieben Prozent gesunken sein. "Damit gehen die Werte sogar unter das Corona-Krisenjahr zurück", sagt Lichtblau.