Barbara Blaha vom arbeitnehmernahen Momentum-Institut stellt dem Vorstoß von AMS-Chef Johannes Kopf für eine Streichung der Zuverdienstmöglichkeit Zahlen entgegen: Wer sich in der Arbeitslosigkeit mit Gelegenheitsjobs über Wasser halte, suche genauso intensiv nach Arbeit wie Arbeitslose ohne Zuverdienst.

Das SORA Institut habe im Auftrag des Momentum Instituts 1.214 arbeitslose Menschen in einer repräsentativen Studie zu ihrer Situation befragt. Eine Spezialauswertung der Daten in Bezug auf Gelegenheitsjobs unter arbeitslosen Menschen zeige, dass 97 Prozent auch mit Zuverdienst aktiv nach Jobs suchen.

31 Prozent der befragten arbeitslosen Menschen geben an, dass sie Gelegenheitsjobs annehmen. Ihre Suche nach einem sozialversicherungspflichtigen Job geben sie dennoch nicht auf. In der Befragung zeigt sich kein Unterschied in der Suchintensität.

97 Prozent der Arbeitslosen mit Gelegenheitsjobs geben an, dass sie aktiv nach Arbeit suchen. Jene ohne Zuverdienst tun das zu 94 Prozent.

© Momentum Institut

In der Art der Suche gibt es nur minimale Unterschiede. Arbeitslose mit Gelegenheitsjobs suchen etwas häufiger in Zeitungsinseraten (38 Prozent zu 34 Prozent) und im direkten Kontakt mit Betrieben (26 Prozent zu 21 Prozent), häufiger über das AMS (73 Prozent zu 61 Prozent) und im Bekanntenkreis (44 Prozent zu 27 Prozent), als Arbeitslose ohne Zuverdienst. Etwas weniger suchen sie mittels Internet (68 Prozent zu 74 Prozent) oder schalten selbst ein Jobgesuch im Internet (20 Prozent zu 23 Prozent).

“Es ist falsch, dass arbeitslose Menschen, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten, nicht aktiv nach Arbeit suchen. Gelegenheitsjobs zu streichen, macht arbeitslose Menschen nicht produktiver in der Suche nach einem regulären Job”, sagt Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Instituts.

Im Gegenteil: Arbeitslose Menschen mit Zuverdienst bewerben sich besonders aktiv, sagt Blaha. Im Schnitt haben sie in den letzten vier Wochen vor der Befragung fünf Bewerbungen verschickt, genauso viele wie jene ohne Zuverdienst.

Einen Unterschied gebe es jedoch in der Antwort auf die Bewerbungen. Nur 27 Prozent der befragten arbeitslosen Menschen mit Zuverdienst hätten von einem Betrieb eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch erhalten, während es 43 Prozent der Arbeitslosen ohne Zuverdienst waren.

Das decke sich mit der Selbsteinschätzung. Arbeitslose mit Zuverdienst schätzen die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten sechs Monaten einen neuen Job zu finden, auf nur noch 39 Prozent. Zum Vergleich: Arbeitslose, die nicht dazuverdienen, schätzen die Wahrscheinlichkeit auf 53 Prozent.

Gelegenheitsjobs als einzige Chance

78 Prozent aller Arbeitslosen, die dazuverdienen, schätzen ihre eigenen Einflussmöglichkeiten darauf, eine neue Stelle zu finden, als gering ein. Ein Grund dafür ist, dass ein knappes Drittel (31 Prozent) schon Diskriminierungen bei Stellenbewerbungen erlebte. Trotz gleicher Intensität der Arbeitssuche finden sie seltener einen Job.

“Die befragten arbeitslosen Menschen mit Gelegenheitsjobs berichten von Diskriminierungserfahrungen während der Jobsuche. Sie weichen auf Gelegenheitsjobs aus, weil die Betriebe ihnen keine Chance geben”, sagt Blaha.

Niedriges Arbeitslosengeld als Zwang

Jene Arbeitslosen, die in der Arbeitslosigkeit mit Gelegenheitsjobs dazuverdienen, haben vor der Arbeitslosigkeit tendenziell schon weniger verdient: 85 Prozent haben weniger als 1.600 Euro netto im Monat verdient. In der Arbeitslosigkeit liegt das Einkommen bei 84 Prozent unter 1.000 Euro pro Monat. Väter halten häufiger Gelegenheitsjobs als kinderlose Männer (46 Prozent zu 36 Prozent), Mütter häufiger als kinderlose Frauen (27 Prozent zu 21 Prozent).

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Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit steigt auch der Anteil an Arbeitslosen, die dazuverdienen: 40 Prozent aller Arbeitslosen, die einem Zuverdienst nachgehen, sind langzeitarbeitslos. Trotz Zuverdienst sind die Arbeitslosen mit Gelegenheitsjob armutsgefährdeter als die Gruppe ohne Zuverdienst. Zwischen 63 Prozent und 75 Prozent der Arbeitslosen mit Zuverdienst gelten als armutsgefährdet, basierend auf ihrem Haushaltseinkommen und ihrer Haushaltssituation.

4 von 10 Zuverdienstlern trotzdem arm

Vor allem aber: 4 von 10 gelten als arm. So sagen 60 Prozent, sie könnten sich keine neue Kleidung kaufen bei Bedarf. Unter den Arbeitslosen ohne Zuverdienst trifft das auf 30 Prozent zu.

„Das Arbeitslosengeld ist in Österreich sehr niedrig. Wer länger arbeitslos ist, muss oft Gelegenheitsjobs annehmen, um sich finanziell über Wasser zu halten. Länger arbeitslose Menschen sind auf jeden Cent Zuverdienst angewiesen. Ihnen diese Möglichkeit zu nehmen, führt zu größerer Armut unter arbeitslosen Menschen, nicht zu mehr Beschäftigung, erläutert Barbara Blaha.