Mitte der Woche versammelten sich zum Teil schwer bewaffnete Unterstützer von Donald Trump vor einem Wahlzentrum in Arizona, um – angestachelt vom Präsidenten – lautstark gegen angeblichen Wahlbetrug zu protestieren. Sicherheitskräfte hielten die Menge in Schach, damit sie sich keinen Zugang zum Gebäude verschafft. Arizona ist ein Bundesstaat, wo es gestattet ist, frei in der Öffentlichkeit eine Waffe zu tragen.

In den Vortagen gab es gewalttätige Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in New York, Chicago, Portland und einigen anderen Städten. In Oregon aktivierte der Gouverneur die Nationalgarde. Gleichzeitig schwirren in sozialen Medien Gerüchte umher von „gestohlenen“ Wahlkarten und Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung. Die Nervosität steigt, dass die Auseinandersetzungen nur eine Ruhe vor dem Sturm sind.

Eine neue Eskalationsstufe könnte mit dem Endergebnis erreicht werden. Ein Forscher, der in der Vergangenheit den Geheimdienst CIA beriet, wähnt die USA womöglich auf dem Weg zum zweiten Bürgerkrieg mit diesem Urnengang als „auslösendem Ereignis“.

Das ist freilich eine Übertreibung. Die 1850er-Jahre (der Bürgerkrieg fand von 1861 bis 1865 statt) sind nur schwer mit dem vorigen Jahrzehnt vergleichbar. Der wichtigste Unterschied ist, dass die Amerikaner heute mehrheitlich den politischen Institutionen des Landes vertrauen. Zudem gibt es im Gegensatz zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine bewaffneten Gruppierungen, die regulären Sicherheitskräften im Ernstfall die Stirn bieten könnten.

"Marschbefehl"

Der Direktor der Bundespolizei FBI warnte schon im September vor „leicht entzündbarer“ Gewaltbereitschaft. Ein Faktor sind dabei die Trump-treuen und im extrem rechten Spektrum einzuordnenden bewaffneten Gruppierungen, die sich selbst als Milizen bezeichnen – angelehnt an Bürgerwehren während der Amerikanischen Revolution. Trump selbst forderte in einer TV-Debatte eine solche rechtsextreme Schlägertruppe, die „Proud Boys“, auf, sich „bereitzuhalten“. Anhänger verstanden diese Botschaft laut einem einschlägigen Twitter-Account als „Marschbefehl“.

Laut einem Bericht des Heimatschutzministeriums gab es 2019 16 tödliche Attacken von extremistischen Gruppierungen, wobei Rechtsextreme („White Supremacists“) für acht dieser Attacken und 39 von 48 Toten verantwortlich waren. 2020 vereitelte das FBI Versuche solcher Gruppierungen, die demokratischen Gouverneure in Michigan und Virginia zu entführen.

Einzeltäter

Doch wie realistisch ist eine weitreichende politische Gewalt in den kommenden Tagen? Die Chancen hierfür sind geringer, als man annehmen würde. Möglich sind quasiterroristische Aktionen von gewaltbereiten Einzeltätern oder Gruppierungen sowie das „Kapern“ von Protesten durch rechte und linke Aktivisten, die damit Ausschreitungen – eventuell auch mit Schusswaffen – anzetteln.

Eine systematische und koordinierte Gewaltkampagne, ausgelöst von Trump-Unterstützern, kann aber ausgeschlossen werden. Die Mehrheit der Milizen kooperierte in der Vergangenheit mit Sicherheitskräften und wird sich daher kaum direkt gegen solche staatlichen Institutionen wenden. Und die wenigen staatsfeindlichen Gruppen sind laut mehreren Studien untereinander relativ schlecht koordiniert. Groß angelegte Aktionen müssten langfristig geplant und über Kommunikationskanäle organisiert werden, die aber eine frühzeitige Aufdeckung und Vereitelung durch die Bundespolizei begünstigt hätten.

Keine Anzeichen

Es steht dabei außer Frage, dass sich Polizeibehörden und Streitkräfte in keinster Weise an staatsfeindlichen Aktionen beteiligen werden. Es gibt keine Anzeichen, dass die Verfassungstreue der militärischen Führung angezweifelt werden kann. Bis dato gab es auch keine Aufrufe von beiden Parteiführungen zu gewalttätigen Aktionen. Im Gegenteil: Demokraten als auch Republikaner sind sich einig, dass diese Wahl an den Urnen, notfalls vor Gericht, aber nicht durch Waffengewalt entschieden werden soll.

Laut einer überparteilichen Initiative von Sicherheitsexperten, die verschiedene Nachwahlszenarien durchspielte, sind Entscheidungen des Justizministeriums, der Gouverneure und der Kandidaten entscheidend, ob es zu Ausschreitungen kommen wird. Sollte ein Kandidat doch zu Gewalt aufrufen, empfiehlt die Studie landesweite, friedliche Massenproteste.