Die ersten Pläne der ÖVP-Perspektivengruppe zur Reform des Bildungswesens stoßen auf heftige Reaktionen Sie zielen darauf ab, den Kindergarten halbtags gratis zur Verfügung zu stellen, Fünfjährige bei Sprachdefiziten verpflichtend in eine Vorschule, schwache Viertklässler in der Volkschule in ein fünftes "Vertiefungsjahr" zu schicken oder Unis die Möglichkeit zu geben, Studenten selbst auszuwählen. Die Hauptschulen sollen, noch nicht nähere definiert, "attraktiver" werden. Dazu soll sich eine generelle Bildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr gesellen, die nur bei Lehrabschluss plus Arbeitsplatz früher enden kann. Außerdem sollen sich Schulen Lehrer und 80 Prozent der Schüler aussuchen können.

"Immer seltsamer". Etliche dieser Vorschläge lehnt der steirische ÖVP-Geschäftsführer Bernhard Rinner rundweg ab. Er fände die Ideen seiner Partei immer seltsamer. Die steirische ÖVP werde etwa einem fünften Volksschuljahr nicht zustimmen, weil es "wie Sitzenbleiben" sei. Die Bildungspläne der Perspektivengruppe würden immer mehr "zum Rohr(staberl)krepierer", kritisierte Rinner. Sie würden das Schulsystem erst recht wieder in Schultypen zersplittern. Das ÖVP-"Modell Steiermark" wie die gemeinsame Schule der Zehn-bis Vierzehnjährigen käme in den Absichten überhaupt nicht vor, müsse eingearbeitet werden, sagte Rinner.

Kritik. Die Wiener Stadträtin und Leiterin der ÖVP-Perspektivengruppe, Katharina Cortolezis-Schlager, regierte auf die Kritik mit dem Hinweis, die Arbeit sei noch nicht abgeschlossen. "Vielleicht kommen ja noch bessere Ideen heraus", sagte die Stadrätin. Das neue ÖVP-Gesamtkonzept soll bis 1. Oktober fertig sein. Auch ÖVP-Wissenschaftsminister Johannes Hahn ist skeptisch. Die Ideen seien mögliche Perspektiven, die er aber "nicht verfolgt", erklärte eine Sprecherin. Hahn lehne auch Zugangsbeschränkungen an die Unis ab. Allerdings gäbe es kein Diskussionsverbot. Der Präsident der Rektorenkonferenz, Christoph Badelt, teilte mit, er sehe sich wegen Geldmangels gezwungen, Studienplätze zu beschränken. Es sei zynisch, dass Politiker vom freien Hochschulzugang redeten und trotzdem viel zu wenig Geld dafür locker machten. Deshalb müssten die Unis, die lieber mehr Studienplätze hätten, Auswahverfahren planen. Zudem liefen die Hörer-Beschränkungen für acht Studienrichtungen bald aus.

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Panier ohne Fleisch. Negativ auf die neuen ÖVP-Ideen reagieren auch SPÖ und Oppositionsparteien. SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal nennte die Pläne "unausgegoren und jugendfeindlich". Die SPÖ habe eine Jahr lang im Kreis von 140 Leuten über ihr Bildungsprogramm debattiert und während dieser Zeit darüber geschwiegen, keine Zwischenergebnisse oder Details ausgeplaudert. Die Vize-Chefin der Grünen, Eva Glawischnig will hinter den ÖVP-Absichten "das Prinzip Selektion und Fremdbestimmung" entdeckt haben. "Viel Panier, aber wenig Fleisch" erkennt die FPÖ. Das BZÖ fordert eine "Ende der schwachsinnigen Debatten".