Sie haben sich für Ihr Buch in die Online-Foren von Corona-Leugnern, von Staatsfeinden und Rassisten eingeschleust. Gibt es eine Gruppe, die Ihnen besonders gefährlich für unsere Gesellschaft erscheint?
JULIA EBNER: Das sind sie alle auf unterschiedliche Art und Weise. Für besonders demokratiegefährdend halte ich die Verschwörungstheoretiker von QAnon in Amerika und damit verbunden im deutschsprachigen Raum teils auch die Querdenker-Szene, die sich antidemokratischen Einstellungen annähert. Das hat man bei Angriffen auf demokratische Institutionen gesehen: Der Sturm auf das Kapitol in den USA und der versuchte Sturm auf den Reichstag in Berlin. Das kam alles aus der Ecke dieser antidemokratischen Verschwörungstheoretiker. Diese Gruppen haben auch eine sehr starke Zunahme an Unterstützern seit Beginn der Pandemie erhalten.

Sie schreiben, es gebe zwischen all diesen Gruppen auch viele Überschneidungen.
Was sie miteinander verbindet, ist ein Narrativ von den globalen Eliten. Da geht es um den Kampf gegen den Status quo der liberalen Demokratien in den westlichen Ländern. Viele dieser extremistischen Randgruppen haben in Putin deshalb ihren Helden gefunden. Weil er gegen die Grundpfeiler der liberalen Demokratie auftritt und sich auch gegen Homo-Ehe und Feminismus äußert. Putins Ziel, Europa zu destabilisieren und die Machtverhältnisse aufzurütteln, wird von vielen dieser Gruppierungen geteilt. Teils sehnen sie sich auch nach einem starken Staatsoberhaupt.

Wieso dieser Zulauf zum Extremismus? Ist es allein der Vertrauensverlust in die Politik, in die Medien?
Der Vertrauensverlust ist ein ganz wichtiges Stichwort, er zeigt sich auch in vielen Studien. Er hat bewirkt, dass extremistische Gruppen und Verschwörungsmythen in die Mitte der Gesellschaft gelangt sind. Es gibt Frustrationen, Ärger gegenüber der Politik, das Gefühl, auf der Verliererseite zu stehen. Extremisten haben diese Gefühle aufgegriffen und sehr stark instrumentalisiert. Teil dieser Gruppierungen zu sein, erzeugt aber auch eine neue Form des Gemeinschaftsgefühls, der Zugehörigkeit.

Stichwort Klimaaktivisten: Führen diese Entwicklungen auch dazu, dass man selbst für legitime Ziele zu immer extremeren Mittel greifen muss, um gehört zu werden?
Nein, das würde ich nicht sagen. Natürlich haben soziale und politische Bewegungen in der Vergangenheit, auch jene, die für positiven Fortschritt verantwortlich waren, teils zu extremen Maßnahmen gegriffen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das kann schon teilweise funktionieren, aber es kann auch kontraproduktiv sein und dazu führen, dass sich Menschen von der Klimabewegung abwenden. Das ist die Gefahr bei solchen radikalen Protestformen.

Wie kann inmitten dieser aufgeheizten Debatten eine Art von Versöhnung gelingen?
Das wäre sehr wichtig. Ich denke aber, mit Fakten kommt man nicht weit. Denn die Stimmung ist emotional sehr aufgeladen. Es wäre wichtiger, zu verstehen, was bestimmte Bevölkerungssegmente antreibt, warum sie sich Verschwörungstheorien zugewendet haben und wieso sie sich nicht gehört fühlen.

Auch Sie selbst wurden in der Vergangenheit zum Ziel von Anfeindungen.
Ich habe in den letzten Jahren sicher eine dickere Haut bekommen, weil ich zu sehr kontroversen Themen recherchiere. Es gab sowohl online als auch offline Einschüchterungskampagnen gegen mich, auch Morddrohungen. Ich wusste also auch bei diesem Buch, was auf mich zukommen wird. Ich hoffe aber immer, dass die menschliche Dimension aus meinen Büchern so stark hervorsticht, dass man mir auch mit einer gewissen Menschlichkeit begegnet.