Pro von David Knes

In Schnitzel und Co. zu beißen, ist manch Tierwohlbedachten und Umweltbewussten nicht nur ein Leckerbissen, sondern auch ein Gewissensbiss. Dennoch wollen viele nicht darauf verzichten, "weil es so gut schmeckt". Das war auch meine Einstellung bis 2017. Damals hat der australische Philosoph Peter Singer bei einem Vortrag in Graz die Frage aufgeworfen, was man denn als Einzelner tun könne, um das Leid (nicht nur jenes von Menschen) auf der Welt zu minimieren. Niemand ist verpflichtet, sich diese Frage zu stellen. Wer es aber tut, findet einen potenten Hebel in der Ernährung.

Sie werden sich vielleicht fragen, wieso der Vegetarier für das Verspeisen von Insekten plädiert. Das hat mich auch meine Kollegin gefragt. Sie findet die Vorstellung, Insekten zu essen, ekelhaft. Doch ob Mehlwürmer, Mücken oder anderes Getier – unwissentlich machen wir das ohnehin öfter, als man denkt, weiß der Ökologe Johannes Gepp. Dazu muss man nicht einmal ein besonders freundlicher Radfahrer sein, ergänzt er.
Berührungsängste lassen sich mit etwas Offenheit ablegen, eine gute Zubereitung hilft dabei nicht nur, sondern kann sogar neue kulinarische Welten eröffnen.

Aber Insekten sind doch auch Tiere! Mit dieser Bemerkung hat die Kollegin ins Schwarze getroffen. Nachdem der Ekel-Aspekt vom Tisch ist, ist dieses Thema für "Moral-Vegetarier" ein zentrales und höchst umstrittenes. Doch im Vergleich zum "normalen" Fleischkonsum ist die Sache klar.

Ob oder wie empfindungsfähig Insekten sind, hängt von der Art ab, hier darf man nicht alle in einen Topf werfen (dazu wäre mir auch kein Rezept geläufig). Die Frage bedarf weiterer und intensiver Forschung. Doch vieles deutet darauf hin, dass das Leid von sterbenden Schweinen, Hühnern oder Rindern nicht mit jenem von Insekten vergleichbar ist – fehlt es diesen doch schon an einem zentralen Nervensystem.

Während sich zahlreiche Insektenarten von Natur aus auf engsten Raum zu Tausenden tummeln (und so auch zur Lebensmittelherstellung gehalten werden könnten), könnten Mastbetriebe der fleischverarbeitenden Industrie von artgerechter Haltung (mit wenigen Ausnahmen) weiter nicht entfernt sein.

Auch der ökologische Aspekt spricht für das große Krabbeln am Teller (sorry, falls der Ekel jetzt wieder zurück ist). Im Vergleich zu einer Grillenmahlzeit müssten Sie dreimal so viel Steak essen, um gleich viel Proteine aufzunehmen. Das Steak kommt aber mit dem Vielfachen an Ressourcenverbrauch und CO₂-Emissionen.

Kontra von Daniela Breščaković

Alma Zadić tut es und ich auch. Weder die Justizministerin noch ich können uns zwischen Schnitzel und Ćevape entscheiden. Auf unseren Tellern ist Platz für beides. Das gibt Zadić in einem Video auf ihrem Instagram-Profil zu, und bekennt sich so als Fleischesserin. Ihr Fleischkonsum entspricht dem von 74 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher – mich eingeschlossen. Für viele ist der hemmungslose Genuss aus zwei Welten – also Schnitzel und (!) Ćevape – nicht mehr vertretbar. Und sie haben recht.

Expertinnen und Experten raten Menschen in reichen Ländern, weniger Tierprodukte zu essen, wenn es noch gelingen soll, das Klima zu retten. Zu viel Fleisch am Teller fördert Wohlstandskrankheiten. Fleischesser sind schuld dafür, dass Regenwälder abgeholzt werden und die Ozonschicht zerstört wird. Wer Tiere isst, schiebt die Welt hin an den Tellerrand der Apokalypse. Wenn man sich das alles vor Augen führt, fällt es tatsächlich schwer, weiterhin Fleisch zu essen. Aber nicht das Fleischessen ist das Problem, sondern fehlende Richtlinien, die einen verantwortungslosen Umgang mit Tieren zulassen. Um diesen Planeten zu retten, müssen wir in Zukunft nicht alle auf Fleisch verzichten, sondern bewusster damit umgehen.

Und das tun inzwischen auch immer mehr Menschen, wie eine aktuelle Iglo-Trendstudie zeigt. 27 Prozent der Menschen in Österreich essen bewusst weniger Fleisch. Und die Zahl steigt. Mit der Insekten-Verordnung hat es sich die EU nur wieder einmal leicht gemacht und versucht, mit Spaghetti Bolognese aus gemahlenen Würmern den Planeten zu retten.

Was es wirklich braucht, sind keine Insekten, sondern eine Agrarwende. Es braucht eine EU, die mit strikten Regeln die unkontrollierte Überproduktion ausbremst. Die dafür sorgt, dass Bauern, auf Klasse statt auf Masse setzen können, um zu überleben, dass landwirtschaftliche Betriebe, die Biofleisch produzieren, dafür genug Geld bekommen, um vom Betrieb leben zu können.

Wir brauchen eine EU, die in den Köpfen der Menschen verankert, dass hochwertiges Fleisch wieder etwas kosten darf. Dass wir damit bewusst umgehen müssen. Dass hinter einem billigen Schnitzel klimaschädliche Massentierhaltung steckt. Und dass der tägliche Fleischkonsum nicht nur den Klimawandel befeuert, sondern auf Dauer krank macht. Wir brauchen keine EU, die Fleischessern ein schlechtes Gewissen macht und statt Schwein, Rind und Geflügel, Schimmelkäfer, Hausgrillen, Mehlwürmer und Heuschrecken empfiehlt. Damit wird sich die Welt nicht retten lassen.