Wie in Österreich durch die Alpenkonvention geschützte Moorlandschaften vielfach Opfer von Ausnahmegenehmigungen werden, haben die Naturschutzorganisationen WWF und Ökobüro in 27 Fallbeispielen dargelegt. Während beispielsweise in Schottland Moore wieder revitalisiert werden, weichen sie hierzulande Beschneiungsanlagen oder Speicherseen. 90 Prozent der einstigen Moorfläche ist bereits zerstört, hieß es zu den "vergessenen Klimasünden" gegen den natürlichen Kohlenstoffspeicher.

Was die noch erhaltenen Moorflächen betrifft, so berichtete der WWF unter Berufung auf das Umweltbundesamt ("FFH Artikel-17 Bericht", 2019), dass deren Zustand bei einem Drittel "unzureichend" und bei den restlichen zwei Dritteln nur "schlecht" ist. Das macht die Moore zusammen mit anderen Süßwasserlebensräumen zu den am schlechtesten erhaltenen Ökosystemen in der österreichischen Alpenregion. Dabei können intakte Moore bei der Bildung von Torf das Treibhausgas CO₂ dauerhaft speichern: Selbst die verbliebenen zehn Prozent der ursprünglichen Moorfläche in Österreich binden laut dem WWF rund 30 Millionen Tonnen Kohlenstoff – das ist mehr als Österreich jährlich in den CO₂-Äquivalenten enthaltenen Kohlenstoff emittiert. Zudem sind Moore auch für die Artenvielfalt von Bedeutung und bieten als "Ausnahmebiotope" Lebensraum für 1.000 Arten, die auf den Torf von Hochmooren angewiesen sind. Und schlussendlich, Moore dienen als "Schwamm", die Niederschläge oder Hochwasser binden und nur langsam wieder abgeben – gerade in der Klimakrise und deren Wetterextreme von Bedeutung.

Moore müssen Projekten weichen

Besser wird die Lage für die Moore aktuell jedoch nicht, denn aus der über 30 Seiten umfassenden Analyse geht nicht nur hervor, dass "der Moorschutz in Österreich große Defizite hat und nicht in Einklang mit dem Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention steht", es sind auch weit mehr als die 27 genannten Fälle, in denen die Moore diversen Projekten weichen müssen, denn die Autoren halten abschließend fest, dass die von ihnen beanstandeten Genehmigungen "wohl nur einen kleinen Teil" aller in den Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten erteilten Ausnahmen darstellen. "Politik und Behörden erlauben regelmäßig weitere Eingriffe auf Basis fragwürdiger Ausnahmegenehmigungen", kritisierte WWF-Alpenschutz-Sprecherin Ann-Kristin Winkler.

Im Fall von Tirol wurden bei den stichprobenartig gewählten Bescheiden beispielsweise 19 naturschutzrechtliche Fälle zwischen 2015 und 2019 untersucht, in denen Moor- und Feuchtgebiete betroffen waren und eine Genehmigung gemäß dem bundeslandspezifischen Naturschutzgesetzes erteilt wurden. Sechs verschiedene "Vorhabenstypen", darunter die Errichtung von Liftanlagen oder einer Skipiste samt Beschneiungsanlage, fanden sich wie auch eine Campinganlage und ein Kraftwerksbau. Letztgenannte Praxis des Genehmigens hat laut Winkler, "besonders gravierende Auswirkungen" im Tiroler Kühtai, wo für die Errichtung eines Speicherkraftwerks "rund fünf Fußballfelder Moorfläche zerstört wurden".

In allen Fällen geht laut den Studienergebnissen der Großteil der Ausnahmen auf viele vermeintlich kleine Eingriffe zurück, die Stück für Stück die letzten natürlichen Moorflächen dezimieren. Dazu zählt zum Beispiel die Genehmigung von neuen Beschneiungsanlagen und Speicherseen, wie etwa bei der Franzlalm in Salzburg oder am Berg Falkert in der Kärntner Gemeinde Reichenau. Der Schutz der Moore ist dabei nicht nur Anliegen von Umweltschutzverbänden, sondern auch rechtlich mehrfach verankert, denn die Pflicht zur Erhaltung von Feuchtgebieten und Mooren ergibt sich neben dem EU-Recht in Form der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie auch durch die Ramsar-Konvention sowie aus Art. 9 des Bodenschutzprotokolls der von Österreich ratifizierten Alpenkonvention (AK).

Dass Moore trotzdem keinen ausreichenden Schutz erfahren, ist laut dem WWF damit begründet, dass vielfach das Naturschutzrecht nicht in Übereinstimmung mit dem Bodenschutzprotokoll ausgelegt werde. "Als Sofortmaßnahme muss der Überprüfungsausschuss der Alpenkonvention den Bedeutungsgehalt des Bodenschutzprotokolls klarstellen und seine Einhaltung fordern", mahnt Winkler daher ein. Aus Sicht der Autoren wäre es zudem erforderlich, dass alpine Moore und Feuchtgebiete von den Bundesländern unter absoluten Schutz gestellt werden, ein entsprechender Aktionsplan vonseiten der Regierung sollte ebenso realisiert werden.