Die infektiöseren Mutationen des Coronavirus sind in Österreich noch nicht flächendeckend vorhanden. Das erläuterten Experten bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im Gesundheitsministerium. Gesundheitsminister Rudi Anschober sagte, in Österreich zeigt sich, dass die  zweite Welle in Österreich deutlich dramatischer darstellt, als die erste. Der Trend gehe mittlerweile in die richtige Richtung, die Maßnahmen würden wirken. Die derzeitige Sieben-Tage-Inzidenz beträgt derzeit 115, das Ziel sei aber 50. Seit Jahresbeginn sei man wieder unter dem EU-Durchschnitt. "Es gehe in eine gute Richtung, jedoch es sei der falsche Weg nun in Zufriedenheit zu verfallen. Aus meiner Sicht werden der Februar und März die schwierigsten Phasen der Pandemie. Der Grund: B.1.1.7", betont Anschober.

Diese Maßnahmen werden gesetzt

Deswegen werde man nun schrittweise alle positiven Ergebnisse auf die Variante getestet. Auch die Testungen der Kläranlagen werden ausgebaut. Es soll bis zu 400 Sequenzierungen in der Woche geben.

Zudem werde die neue Verordnung mit der Lockdownverlängerung, höherem Mindestabstand und FFP2-Maskenpflicht in Öffis planmäßig ab Montag 0 Uhr gelten.

So funktionieren Sequenzierungen

Genomforscher Gustav Bock erklärt wie Sequenzierung funktioniert. Der leitende Forscher am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin, führt die Genom-Sequenzierung und Analyse für Genom Austria durch. Sequenzierungen dauern lange Zeit, weil sie sehr komplex sind. Die Vollgenomsequenzierung könne auch minimale Abweichungen bei Testungen feststellen und sei daher die genaueste Variante. Man könne dadurch die komplette DNA-Sequenz des Virus rekonstruieren. Man wisse dann auf genetischer Ebene alles was es über das Virus zu wissen gibt. Man könne also jede Variante und Veränderung feststellen.  Wie oft die Mutationen vorkommen, dafür sind die Vollsequenzierungen "nicht das Mittel der Wahl".

Zuerst muss die RNA isoliert werden und vervielfältigt. Erst dann ist nach Vorbereitungen eine Sequenzierung möglich. Die Sequenzen kommen in vielen Teilen heraus, die am Computer sozusagen wieder "zusammengesetzt" werden müssen, erklärt der Experte. Jeder Schritt dauere einen Tag.

Bei Kläranlangenanalysen sehe man, dass die britische Variante noch nicht großflächig angekommen ist. Es gibt derzeit nur einzelne Cluster. In zwei Wochen könne man mit den Kläranlagenproben über 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung abdecken.

Lage in Salzburg

Nun ist Infektiologe Richard Greil vom Uniklinikum in Salzburg am Wort. Gerade in Salzburg wurden in Kläranlagen die neue Mutation bereits nachgewiesen. Es gab eine große Zunahme der Fälle gegen Anfang des Jahres. Darum gab es die Vermutung, dass die britische Mutation in Salzburg angekommen sei. Daten aus der Kläranlagenanlysen bestätigten dies.

Das sind die Konsequenzen: Nun gibt es 14 Teststationen im Bundesland, dazu mobile Testteams. Sinnvoll wäre es, mehr Sequenzierungen durchzuführen. Es seien jedoch gute Simulationen möglich - man brauche aber noch weitere Studien zu der Mutation. "Wir müssen auch Reinfektionen genau beobachten", so der Experte.

Große Gefahr sieht Greil darin, den Zeitraum zwischen erster und zweiter Impfdosis zu strecken.

Was heißt das nun für Österreich?

Simulationsforscher Nikki Popper soll aus diesen Daten nun eine Voraussicht für Zukunft zu errechnen. Er beschreibt seine Aufgabe so: Daten zusammenbringen, Dynamik verstehen, Zukunftssimulationen erstellen. Popper geht von sinkenden Fallzahlen aus. "Aktuell würden die Maßnahmen wirken, wenn auch nicht so stark",  so der Forscher. Die schlechte Nachricht sei jedoch: "Die Mutation ist hier, jedoch noch nicht großflächig."

Studien beweisen eine 50-70 Prozent höhere Infektiösität bei B.1.1.7. Man wisse, dass die Mutation ansteckender sei, als die ursprüngliche Variante. Auch Popper geht davon aus, dass die Mutation im Februar und März die Oberhand gewinnen wird. "Wir werden das nicht verhindern können, sie wird sich ausbreiten", sagt Popper zur Mutation. Was die Maßnahmen im Moment bewirken sei vor allem ein Zeitgewinn.
Als besonders wichtige Maßnahmen beschreibt Popper testen, tracen und isolieren.

Das bedeute nun aber nicht, "dass die Welt untergeht". Die gute Nachricht sei, dass auch in Großbritannien und Irland die Zahlen wieder nach unten gehen. "Offensichtlich wirken die Maßnahmen", sagte Popper. Bis die Hospitalisierungszahlen sinken, dauert es aber mindestens drei bis vier Wochen. Insgesamt gebe es bei SARS-CoV-2 eine "enorme Dynamik". "Wir alle sind dem ausgeliefert und müssen damit umgehen", sagte Popper und betonte, dass mehr Distanz und eine strengere Maskenpflicht wirken. Denn damit "gewinnen wir Zeit", die Ausbreitung könne aber "nicht verhindert werden". "Es wird weitere Mutationen geben", sagte der Forscher.

Er prognostizierte für die kommende Woche eine Reduktion der täglichen Fallzahlen Richtung unter 1.000. Die Situation sei stabil, "ich erwarte im Moment keinen Anstieg". Die Maßnahmen - der harte Lockdown wurde ja verlängert, ab Montag wird nochmals nachgeschärft - wirkt, "aber nicht so stark, wie wir uns das oft wünschen würden", sagte der Experte.

In Österreich stehe man bei 150.000 Impfungen. Ab 200.000 würden wir erste Unterschiede bei den Sterberaten und der Belegung der Intensivstationen merken. Markante Reduzierungen seien dann ab 2,5 Millionen Geimpften zu erwarten.

Werden die Ansteckungen pro Tag durch B.1.1.7 höher sein als im Peak im November? Popper erwartet momentan keinen Anstieg bei den Infektionszahlen. Was passieren könne sei, dass sie wieder ansteigen, wenn die Maßnahmen gelockert werden.

Fragen der Journalisten

Zu den FFP2-Masken, die für Bedürftige kostenlos sein sollten: Bis Ende nächster Woche sollten alle Gratis-Masken für Menschen über 65 Jahren zugestellt sein. Anschober bestätigte noch einmal den Bericht der Kleinen Zeitung, welche Ausnahmen es dazu gebe.

Anschober geht von einer Zulassung von AstraZeneca aus, jedoch sei nicht klar, ob auch für über 65-Jährige. Daher würde man sich auf beide Varianten vorbereiten. Deswegen wurden die Biontech-Impfstoffe noch einmal aufgestockt.