Schöner Fußball ist, wenn das Zusammenspiel über die Summe des Könnens der elf Spieler hinaus erhaben wird. Endlich haben dafür Österreichs Teamspieler ihre Leistungen aus der deutschen Bundesliga voll abgerufen – und kurz auch die gefühlte Coronalast überdribbelt. „Wir haben“, strahlte Franco Foda, „für das ganze Land gespielt.“

Matchwinner war Watford-Goalie Daniel Bachmann, so urteilen heute früh jedenfalls auch die italienischen Zeitungen, die gnädig kein Wort über Marko Arnautovic verlieren. Einige lässige Fersler als missglückte Durchstecher machen kein Genie. Fodas Team besiegte die Ukraine auf hohem taktischen und spielerischen Niveau und trug auch noch das verstört wirkende Enfant terrible aus Favoriten durch.

Nun also gegen Italien im Wembley Stadion, wie an dieser Stelle schon in der Vorwoche erahnt wurde. „Wir sind hier, um zu träumen, im Fußball ist alles möglich“, sieht ein überglücklicher David Alaba auch im Achtelfinale das Unvorstellbare möglich. Doch die Azzuri spielen mit furioser Euphorie auf. Angriff-Stakkato statt Cattenaccio.

Im absehbaren Duell Marko Arnautovic gegen Italiens aufstrebenden Jungstar Matteo Pessina könnten kaum unterschiedlichere Welten aufeinanderprallen. Hier der völlig außer Form gekippte launig-ruppige Straßentrixler aus der Wiener Vorstadt, dort der gebildete Sohn eines Unternehmers und einer Architektin, der für Ökonomie und Management an der  Business Universität Luiss di Roma eingeschrieben ist, Bücher liebt statt Playstation und auf dem Platz auch gerne Latein zitiert, um gegnerische Verteidiger zu zermürben: „Gutta cavat lapidem“ – steter Tropfen höhlt den Stein. So schoss der 24-jährige Mittelfeldspieler mit Atalanta Bergamo heuer Real Madrid aus der Champions League und am Sonntag das 1:0 Italiens gegen Wales. Ganz skandalfrei ist der neue „Gianni Rivera“ aus Monza auch nicht. Das Instagram-Foto, wie er mit der Designertasche eines Porno-Internetportals zum Training erschien, ging viral.

Für Österreichs Nationalteam hat das Achtelfinale gegen Italien im Wembley-Stadion schon den Stellenwert eines großen Turnierfinales. Doch nicht alles, was historisch ist, ist auch erfreulich. 1936 trafen Italien und Österreich bei der von Adolf Hitler und den Nazis  pompös und propagandistisch aufgezogenen Sommerolympiade 1936 in Berlin im Finale aufeinander. Die Mussolini-Mannschaft gewann mit 2:1 nach Verlängerung. In der österreichischen Amateurauswahl spielte Mittelstürmer Klemens Steinmetz vom FC Kapfenberg und später Grazer SC Straßenbahn mit, sowie der Klagenfurter KAC-Spieler Walter Werginz, der 1944 im Russland-Feldzug ums Leben kam.

1954 schaffte Österreich bei der Fußball-WM in der Schweiz zum letzten Mal einen Einzug in eine K.o.-Phase  eines Turnieres. Erfolgstrainer war damals ein legendärer ehemaliger Spieler des Wunderteams, Walter Nausch.  Wie alle Vereinsmitglieder der Austria Wien war er schweren Repressalien der Nazis ausgesetzt und musste 1938 in die Schweiz fliehen. Er hatte sich geweigert, sich für den Trainerposten von seiner jüdischen Frau zu trennen. Als Teamtrainer feierte Nausch dann 1954 mit dem Sieg über Uruguay und dem 3. WM-Platz Österreichs größten Fußball-Triumph.

Das Wembley Stadion in London ist übrigens ein guter Boden für Österreich: Als weltweite Sensation galt 1965 der 3:2-Sieg gegen England durch zwei Tore des 20-jährigen Rapidlers Toni Fritsch, der später in den USA als „Wembley-Toni“ mit den Dallas Cowboys die Superbowl gewann.

Freuen wir uns auf ein sportliches Fußballfest,