Manchmal frage ich mich, wie ein Leben mit Kind wäre. Dann treffe ich Freunde mit Kindern und denke: Puh. Ausnahmen bestätigen die Regel: Auch ich kenne viele charmante und nette Kinder. Aber hat man allgemein das Gefühl, dass mit den Kleinen heute alles ok ist?

„Man fühlt sich schnell wie die uncoole Alte“, sagt eine meiner Freundinnen, mit fast 40 zum ersten Mal schwanger: „Aber ja, ich frage mich das auch“. Sie ist schon ewig mit ihrem Mann zusammen, hat die Kinderentscheidung aber lange aufgeschoben: „Unsere Generation macht nicht gerade Werbung fürs Kinderkriegen.“ Neulich sprangen bei ihr daheim die Schulkinder von Freunden ungefragt auf ihre Möbel und warfen alles herum, wie es einst Kleinkindern vorbehalten war. Als die Familie weg war, meinte ihr Mann: „Ich brauche einen Schnaps.“ Es war 16 Uhr und er hat kein Alkoholproblem. 

Mit Blick auf viele Kinder lässt sich vielleicht eine Tendenz beobachten: Hoher Lärmpegel, ausgeprägte Ich-Kultur, Impulskontrolle fällt schwer, manche sind kommunikativ etwas auffällig (Man sagt „Hallo“ und die sagen nichts – hä?). Womöglich ist manches davon nur eine Phase. Und vieles davon trifft einfach auf die Zeit zu, in der wir leben. Unter vierzehn ist eh niemand strafmündig: Man landet also schnell bei uns, der Gesellschaft. Wir wissen, dass der Zeitgeist zum Narzissmus und zur Smartphone-Sucht neigt und sich das Verhalten von Eltern auf Kinder überträgt.

Drücke ich meine Verwunderung aus, antworten meine Freunde milde, während rechts und links ein Kind brüllt: „Man kann nicht mitreden, wenn man selber keine hat“. Also sehe ich zu, wie über Zweijährige noch gestillt werden, weil sie angeblich nichts anderes beruhigt. Ich erlebe, wie meine Freunde ihre Kleinen nicht auf deren Probleme ansprechen, weil sie sie nicht zu fassen kriegen, „die rennen ja nur rum“. Bei einigen Familien schläft der Nachwuchs Jahre bei den Eltern im Bett oder im Zimmer, und viele Eltern müssen die Kinder jeden Abend gemeinsam ins Bett bringen – Treffen mit Freunden: schwierig.

Natürlich wollen es viele Millennials anders machen als ihre Eltern, die vielleicht zu streng oder abwesend waren. Ihre Kinder sollen mehr Nachsicht und Aufmerksamkeit bekommen. Das Ergebnis sind aber mitunter kinderfixierte Eltern, die sich selbst verlieren, und eltern- und egozentrierte Kinder, die andere Menschen, die nicht ihre Eltern sind, kaum noch grüßen können. Bei allem Wunsch, es besser zu machen: Muss man das Kind mit der Wanne ausschütten?

 







Claudia Schumacher ist Autorin, Journalistin und Kolumnistin in Hamburg. Im Vorjahr ist ihr Debütroman „Liebe ist gewaltig“ bei dtv erschienen.