Leserbrief zu Titel: „Kant: Warum er bis heute gültig ist“ und „Kant und die Frage, wie man leben soll“, 19. 4.

Vielen Dank für die Beiträge zu Immanuel Kant. Dieser Geistes-Gigant gibt immer neu zu denken und lädt dazu ein, hinauszufragen über das unmittelbar Gegebene, hinabzufragen in die ersten und letzten Gründe der Wirklichkeit, wie Wilhelm Weischedel einmal formulierte. „… das Bild seines Geistes wird in seiner ganz abgeschlossenen Einzigkeit durch die ganze Zukunft der philosophischen Welt strahlen“, würdigte einst der Philosoph Friedrich Schelling die Größe Kants.

Kant ist ein faszinierender Dauerbrenner. Denn – ihm folgend – sollte kritisches und selbstkritisches (Selbst-) Denken (mit dem Mut dazu) auch immer wieder erfolgen und keinesfalls unterlassen werden. Auch eine gute Einsicht von Immanuel Kant: „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“
Karl Brunner, Klagenfurt

Weitere Leserbriefe zum Thema

Vernunftgebrauch

In universitären Parallelwelten wird anlässlich des Kant-Jubiläums wiederum viel geschwafelt. Jedoch Kant lehrte uns, dass sich hinter unverständlichen akademischen Formulierungen statt Tiefsinn meist Schwachsinn verbirgt. Kant war ein Baumeister der Vernunft und Wegbereiter des Universalismus der Menschenwürde, wozu man heute die Menschenrechte zählen würde, die auf der ganzen Welt gelten sollten. Unsere Vernunft sei fähig, moralische Regeln und Gesetze so zu erkennen, dass sie universell für alle Geltung haben. Uns daran zu halten, sei sodann unsere Pflicht („kategorischer Imperativ“).

Abschied nahm Kant von der bis dahin geltenden „gottgewollten Ordnung“ des Klerus. Er fordert uns auf, selbst das Denken zu wagen („sapere aude“). Unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, sich nicht der KI oder Influencern, Trainern, Coaches, Beratern, Mentoren, etc. zu sehr auszuliefern. Ein radikaler Vernunftgebrauch kennt keine intellektuellen Tabuzonen, hat keine Angst vor „Shitstorms“ und darf nicht vor Dogmen, Religionen, Ideologien, Sprachvorschriften, Wissenschaftsleugnern, exzessivem Genderismus, etc. Halt machen. Die Postmoderne hat dazu leider den Rückwärtsgang eingelegt.
Dr. Ewald Bauer, Graz

Freiheit vs. Gesetz

Kant war unbestritten einer der genialsten Philosophen der neueren Zeit. Trotzdem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Philosophen zu Recht Einwendungen gegen einzelne Sichtweisen Kants erhoben haben. Zum Beispiel zum kategorischen Imperativ in Zusammenhang mit Freiheit. Die Regel: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“, ist keine zulässige Forderung, die zum Freiheitsprinzip passt. Denn wenn ich nach dem Gesetz handeln muss, das ein anderer als Maxime für sein Handeln festgelegt hat und dieses damit zu einem verbindlichen Gesetz für alle anderen wird, ist das das Ende der Freiheit, auch wenn Kant das anders sehen will.

Kants erkenntnistheoretisch bedeutsame Aussage „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“, trifft zu. Sie zeigt, dass Kant schon damals verstanden hat, dass die Vorstellung, die viele heute noch irrtümlich von sich geben: „Ich glaube nur an das, was ich sehe“, unzutreffend ist. Denn der Sehsinn (Anschauung) zeigt bloß „wie“ etwas ist. Worum es sich beim Sichtbaren handelt, kann niemand sehen, denn „was“ Gesehenes ist, wird ausschließlich vom Denken als das bestimmt, was es ist. Sobald beides, das Seherlebnis und die daran anschließende denkende Bestimmung, zusammenfällt, kann Erkenntnis oder Wissen eintreten. Somit glaubt man stets an das, was man letztendlich denkt. Die sich daraus ergebende Charakteristik des Denkens, seine Reichweite und Leistungsfähigkeit, wird von vielen, auch im Umfeld heutiger Wissenschaften, noch nicht zutreffend erfasst.
Mag. Harald Haslacher, Rothenthurn

Zeitgeist

Nicht nur Kant, alle Philosophen waren Kinder ihrer Zeit und einige von ihnen haben aus heutiger Sicht inakzeptable Sätze zu Papier gebracht. Es ist heute nur schwer vorstellbar, dass Kant als einer der bedeutendsten Philosophen überhaupt Frauen die Fähigkeit, sich an öffentlichen Diskussionen zu beteiligen, abgesprochen hat. Doch es war tatsächlich seine Ansicht und das, obwohl er kompromisslos für die Gleichheit der Menschen und die Universalität ihrer Rechte eingetreten ist. Doch wie hätten die heutigen Philosophen im damaligen Zeitkontext gedacht? Hätten sie sich dem Zeitgeist zur Gänze entziehen können?

Für mich sind Kants Schriften nach wie vor unverzichtbar und die Menschheit täte gut daran, sich daran zu orientieren. Einer, der noch viel früher als Kant lebte, war der römische Feldherr Cato. Von ihm ist folgender, nachdenkenswerter Satz überliefert: „Es ist schrecklich, sich vor einer Generation verantworten zu müssen, die nicht mit uns gelebt hat.“
DI (FH) Franz Josef Dorn, BED, St. Marein

Misstrauen

Liessmann: „Sapere aude“, 20. 4.
Den Vernunftgebrauch lebend und nicht immer einer Meinung mit Konrad Paul Liessmann, darf ich seinen Text zu Immanuel Kant hochleben lassen. Sich über Themen sein eigenes Urteil zu bilden – auch mit entsprechenden Erfahrungswerten – müsste einem mündigen Bürger zuzutrauen sein. Doch die Realität sieht leider anders aus, denn wir sind nicht nur nicht weiter gekommen in 300 Jahren, sondern marschieren schnurstracks, dank großem Misstrauen – auch in die eigene Urteilskraft und in die eigenen Fähigkeiten – in eine fragwürdige Richtung betreffend Grundpfeiler der Aufklärung.

Das Denken anderen zu überlassen oder gar eigene Gedanken gar nicht mehr zuzulassen, da man Sorge hat, diffamiert, diskriminiert, stigmatisiert und letztendlich isoliert dazustehen, kann unser Zusammenleben und unsere Gesundheit gefährden, gemäß dem Zitat von Immanuel Kant: Wer sich zum Wurm macht, kann nachher nicht klagen, wenn er mit Füßen getreten wird. Manuela Lenz, Bad Schwanberg