„Gewalt steigt: Mit Messer in die Schule“, 6. 3.

Nach 15 Jahren als Volksschullehrerin gibt es aktuell wieder einen Anlass, der mich stark zum Zweifeln an unserem Schulsystem bringt. Die in den Medien verkündeten Maßnahmen zur Suspendierung von Schülern und Schülerinnen mit Gewaltbereitschaft erwecken, in so manchem in uns, den Eindruck, dass die Behörde hier endlich durchgreift. Doch ich frage mich, ob das der richtige Weg ist.

Für jene Schüler und Schülerinnen ist es vermutlich keine Strafe, nicht in die Schule gehen zu müssen, eher ein Gewinn. Große Sorge dabei bereitet mir, was diese Jugendlichen dann in ihrer freien Zeit machen oder im häuslichen Umfeld. Auch wenn es wieder großartig klingt, ihnen die Kinder- und Jugendhilfe zur Seite zu stellen, weiß ich aus Erfahrung, dass man hierfür nur über ein paar Wochenstunden an Kontingent verfügt. Denkt die Behörde auch daran, wie die Betroffenen den fehlenden Unterrichtsstoff nachholen sollen? Und beginnt dann nicht auch schon der Teufelskreis: schlechte Noten, keine Schulbildung, keine Jobchancen, Verkehren in „schlechten Kreisen“ usw.?

Es wäre höchst an der Zeit, statt mit medienwirksam überschwänglich toll formulierten Worten „wir lassen unsere Pädagogen und Pädagoginnen mit ihren Problemen nicht allein“ eine Veränderung in unserem Schulsystem zu bewirken. Schule braucht so viel mehr, als nur Noten zu verteilen und zwei Mal im Jahr die Eltern darüber zu informieren. Es braucht kleinere Klassenzahlen und Personal, das die Zeit, die Kompetenz, aber vor allem das nötige Verständnis und Einfühlungsvermögen besitzt, hinter die Fassaden eines Kindes/Jugendlichen zu schauen.

Wäre es nicht besser, „Probleme“ zu erkennen, als darauf zu warten, bis es welche gibt? 
Dipl. päd. Tanja Mogg, Hartberg-Umgebung

Weitere Leserbriefe zum Thema

Schon damals

Ich habe bereits im Schuljahr 1967/68 in einer polytechnischen Schule in Wien unterrichtet und schon damals wurden wir zeitweise – aus gegebenem Anlass – von uniformierten Polizisten bei den Gangaufsichten unterstützt (Suspendierungen von Schülern waren nicht vorgesehen). Allerdings haben die Medien diese Zustände seinerzeit für nicht erwähnenswert erachtet ...
Eleonore Bergmann, Graz

Schmaler Grat

Es gibt einen rasanten Anstieg bei Verweisen – diese Tatsache ist wohl als Alarmsignal für das symptomatische Organversagen unserer Gesellschaft anzusehen, deren Verhalten immer mehr auseinander driftet: Auf der einen Seite sprachliche Hyper-Sensibilisierung wie etwa das Gendern, auf der anderen Seite zunehmende Brutalisierung und Gewaltbereitschaft wie etwa auf Fußballplätzen, auf öffentlichen Plätzen wie Freizeitanlagen und leider selbst im familiären Bereich.

Maßnahmen wie Schulverweise dürften wohl in gleicher Weise eher kontraproduktiv beziehungsweise wenig effizient sein wie ein Klassenwechsel. Bei Ersteren vergrößern sich Lerndefizite, die wahrscheinlich negatives Verhalten eher nur potenzieren dürften, möglicherweise wird ein temporärer Schulverweis sogar als „erstrebenswerter Kurzurlaub“ von der Schule empfunden. Bei Zweiteren dürfte sich wohl ebenfalls kaum eine erwartbare Verhaltensänderung einstellen. Ein Patient wird kaum gesünder, wenn man ihn in ein anderes Krankenzimmer umbettet. Die Wurzel von Fehlverhalten liegt wohl in der Gesellschaft und im Elternhaus, das stärker in die Haftung zu nehmen wäre.

Generell wäre eine kollektive Neuorientierung bezüglich Normen und Werthaltungen notwendig, die in unserer über-liberalen Gesellschaft abhandengekommen zu sein scheinen. Der Mensch braucht generell einen Kodex an Normen und Werten, innerhalb derer er sich zwar frei bewegen kann, aber ständig Selbstreflexion zu betreiben hat. Nur so hat er einen Kompass, der ihm die Richtung für sein Verhalten vorgibt. Auf die Gefahr, dass sich „aus der Demokratie, wenn Freiheit im Übermaß bewilligt – und zur Willkür – wird, die Tyrannei entwickelt“, hatte schon Platon in seiner Politeia hingewiesen und davor gewarnt.

Der Grat zwischen Demokratie und Tyrannei ist ein schmaler, wie es die Geschichte immer wieder gezeigt hat, und Politiker mit Avancen, daraus Kapital zu schlagen, gab und gibt es zu jeder Zeit.
Rudolf Flor, Gratkorn

Leistungen anpassen

Prügel, Messerattacken oder Drohungen im Schulalltag zeigen die Fehleinschätzung menschlichen Verhaltens, die Kant mit grundsätzlichem Erkenntnismangel beschreibt. Die Mehrheit der Menschen reagiert nur auf Druck, wie ich aufgrund meiner richterlichen Tätigkeit festgestellt habe. Es gilt, „Handle so, dass dies als Prinzip der Gesetzgebung gelten könnte“. Vereinfacht: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge keinem anderen zu“ mit Sanktionen durchzusetzen. Richtlinie: Leistungen den Anforderungen anpassen und nicht umgekehrt.
Dr. Ewald Maurer, Wien