Von 23 zu 73 – das ist die Entwicklung der Suspendierungen in den letzten Jahren. Waren es in der Steiermark im Schuljahr 2020/21 noch 23 Suspendierungen, stieg die Zahl 2021/22 auf 42 Suspendierungen an, im Vorjahr gar auf 73 insgesamt. Im laufenden Schuljahr 2023/24 sind es mit Stand Jänner auch bereits 41, die letzte Suspendierung wurde erst heute ausgesprochen. Und das, obwohl die Maßnahme als „ultima ratio“ bezeichnet wird, wenn laut Gesetz „Gefahr in Verzug“ ist.

Thema in allen Schulen, Zentralraum stark betroffen

Doch genau dies scheint immer öfter der Fall zu sein. Seit dem Ausbruch des Nahostkonflikts im Herbst rückt Radikalisierung und Gewalt an Schulen in den Fokus. Der Direktor einer Grazer Mittelschule meinte bereits damals zur Kleinen Zeitung, dass das Thema „immer schon“ existierte, jetzt würde man einfach darüber sprechen. „Der Auslöser war der Nahostkonflikt, aber es geht nicht nur um religiöse Radikalisierung“, sagt Bildungslandesrat Werner Amon (ÖVP) und nimmt Bezug auf den aktuellen Fall in Kärnten, wo Schüler eine Nazi-Hinrichtungsszene im Klassenzimmer nachspielten.

„Wir merken in den letzten Jahren einen Anstieg. Es ist schon massiv, dass die Gewalt auch in den Volksschulen einzieht“, sagt Martin Kremser von der Bildungsdirektion Steiermark. Am größten sei das Problem aber in Mittelschulen, hier in den dritten Klassen. Besonders betroffen sei der Zentralraum (Graz, Graz-Umgebung). Neben radikalen Neigungen würde insgesamt die Gewaltbereitschaft erschrecken (Kremser: „Stühle und Sessel fliegen durchs Klassenzimmer“), aber auch Verstöße „gegen die Sittlichkeit“ (so das Schulgesetz) steigen, wie der Versand von Nacktbildern über Snapchat.

Bildungslandesrat Werner Amon
Bildungslandesrat Werner Amon © Klz / Stefan Pajman

Die Maßnahmen:

Leitfaden. Bildungslandesrat Werner Amon (ÖVP) versprach im Oktober, Maßnahmen zu setzen. Diese sollen nun tatsächlich ab dem kommenden Semester umgesetzt werden. Einerseits wurde ein umfassender Leitfaden erstellt, der „in den nächsten Tagen an alle steirischen Schulen verschickt wird“, sagt Amon am Freitag. Damit soll Lehrkräften ein Werkzeug in die Hand gelegt werden.

Förderunterricht. Gleichzeitig wird ein Förderunterricht etabliert, der für Schülerinnen und Schüler bei Bedarf verpflichtend wird. „Interkulturelles Lernen“, „Wertevermittlung“, „Demokratiebewusstsein“ sind die Stichwörter. Amon: „Der Unterricht kann in Einzel- oder Kleingruppensettings, außerhalb des Klassenverbandes und in geblockter Form stattfinden.“

Reportage „Gewalt an Schulen“vom Dezember:

Koordinationsstelle. An der Bildungsdirektion wird eine neue Koordinationsstelle für Gewalt- und Extremismusprävention geschaffen. Diese soll beim Förderunterricht oder der Suspendierungsbegleitung beraten.

Schulisches Kriseninterventionsteam. Sobald ein akuter Vorfall eine Suspendierung verlangt (über einen Antrag muss die Bildungsdirektion innerhalb von zwei Tagen entscheiden), rückt ein schulisches Kriseninterventionsteam aus. Dieses kann die Schule einfach über die neue Koordinationsstelle anfordern. Das mobile Team – speziell für Extremismusfälle gedacht –, ist in dieser Form neu. Auch eine Hotline für Schulen soll folgen.

Suspendierungsbegleitung. Bisher wurden Suspendierungen nicht begleitet. Das ändert sich. Damit Kinder nicht während dieser gezwungenen, schulischen Auszeit in ihrer Peer-Group verhaften (welche oft das Problem verstärkt), sollen sie laut Amon „schulfit“ gemacht werden. Das mobile Krisenteam sowie Vereine sollen bei dieser außerschulischen Begleitung helfen. „Diese Wiedereingliederung ist sicher eine herausfordernde Aufgabe“, so Amon.

Schulsozialarbeiter. Statt wie bisher zehn angedachte, neue Stellen soll die Schulsozialarbeit auf weitere 23 aufgestockt werden.

Kritik von Opposition

Die FPÖ kritisiert in einer ersten Reaktion, dass das nun vorliegende Maßnahmenpaket „unzureichend“ sei. „Teils werden darin viele bereits praktizierte Selbstverständlichkeiten an den Schulen als ‚neue Maßnahmen‘ verkauft, große und wichtige Teile fehlen schlichtweg“, sagt Bildungssprecher Stefan Hermann. Die Maßnahmen kämen zu spät und seien „nicht umfassend genug“, so Hermann. Landesrat Amon wiederum verspricht: „Wir lassen kein Kind zurück.“