Auch die 14. Ausgabe des "Living Planet Report" des WWF, in dem die Entwicklung der Bestände vieler Wirbeltierarten erfasst wird, zeigt keine Trendwende zum Positiven: Laut dem Index, der auf Daten von 32.000 Wirbeltier-Populationen aus 5230 Arten beruht, sind deren Bestände im Zeitraum von 1970 bis 2018 um 69 Prozent gesunken. Der WWF spricht von einem "dramatischen Einbruch von Wildtier-Beständen weltweit", besonders betroffen seien Lateinamerika und die Karibik.

  • Derartige Entwicklungen finden sich jedoch in jeder Weltgegend, so ging etwa der Bestand des Östlichen Flachlandgorilla (Gorilla beringei graueri), der durch Wilderei bedroht ist, im Kahuzi-Biega-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo seit 1994 um etwa 80 Prozent zurück.
  • Halbiert hat sich die Zahl der australischen Koala-Population seit 2001. Einer der Gründe dafür ist die Zerstörung ihres Lebensraums, etwa durch verheerende Buschbrände oder die Abholzung für die Landwirtschaft. Aber auch Krankheiten unter den Tieren und Kollisionen mit Autos sorgen dafür, dass es immer weniger Koalas gibt.
Die Delfin-Population im Ionischen Meer ist stark rückläufig
Die Delfin-Population im Ionischen Meer ist stark rückläufig © Adode Stock
  • Im Jahr 2019 flogen um 56 Prozent weniger Feldlerchen (Alauda arvensis) durch Europas Lüfte als noch 1980. Pestizideinsatz in der industriellen Landwirtschaft und Flächenfraß wurden als Hauptgründe für ihren Rückgang genannt.
  • Die Zahl Gewöhnlicher Delfine (Delphinus delphis) im Ionischen Meer, einem Teil des Mittelmeers, ist zwischen 1995 und 2007 um 90 Prozent zurückgegangen, hier sei die Überfischung ihrer Beutetiere hauptverantwortlich dafür, listete der WWF einige Beispiele auf.

Das Ende der Artenvielfalt

Der "Living Planet Report", der seit 1998 erscheint, will neben dem ökologischen Gesundheitszustand der Erde auch Wege aus der Biodiversitätskrise aufzeigen. Die aktuelle Ausgabe können Sie hier nachlesen. Und diese nimmt immer größere Ausmaße an, denn während gegenwärtig 69 Prozent Gesamtrückgang bis 2018 ermittelt worden sind, lag dieser im ersten Report noch bei 30 Prozent für den Zeitraum 1970 bis 1995.

Landnutzung sei zwar nach wie vor die größte aktuelle Bedrohung für Natur, natürliche Lebensräume vieler Pflanzen- und Tierarten an Land, im Süßwasser und im Meer, "wenn wir jedoch die Erwärmung nicht auf 1,5 Grad Celsius begrenzen können, wird der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich zur Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt werden", heißt es im Vorwort zur neuen Ausgabe die der WWF (World Wide Fund for Nature) gemeinsam mit der Zoological Society of London erstellt hat.

Der Bestand der Feldlerchen ist stark zurückgegangen
Der Bestand der Feldlerchen ist stark zurückgegangen © gerhard hofmann/EyeEm - stock.ad (Gerhard Hofmann)

Artensterben und Klimakrise

Der "fatale Ping-Pong-Effekt" zwischen Artensterben und Klimakrise steht nun auch erstmals im Fokus des 116 Seiten umfassenden, auf wissenschaftlichen Publikationen fußenden Reports. "Brennende Regenwälder, aussterbende Arten und immer mehr Monokulturen sorgen dafür, dass weniger CO2 gespeichert werden kann", wies Georg Scattolin, Leiter des internationalen Programms beim WWF Österreich auf die exorbitante CO2-Speicherfunktion von Wälder, Mooren und Savannen hin.

Die Ausbeutung und Zerstörung der Natur schade nicht nur Wildtieren, "sondern raubt uns letztlich die eigenen Lebensgrundlagen. Denn die Ernährungssicherheit und Gesundheit von Milliarden Menschen hängt direkt von intakten Ökosystemen ab."

Die Bestände der Tiger in Nepal sind gestiegen
Die Bestände der Tiger in Nepal sind gestiegen © Andy Rouse/WWF

Mensch ist Problem und Lösung zugleich

Der "Living Planet Report" zeigt auch auf, dass Naturschutz seine Wirkung zeigt, "denn die Menschheit verursache nicht nur die Probleme, sondern hält auch den Schlüssel für deren Lösung in Händen", sagt WWF-Experte Scattolin.

  • Beispiele dafür sind etwa der Tiger (Panthera tigris) in Nepal, der von 2009 (121 Tiger) bis 2018 (235) einen Populationszuwachs um 91 Prozent verzeichnete. Um 139 Prozent gewachsen ist seit dem Jahr 2013 der Bestand der Kegelrobben (Halichoerus grypus) in der Ostsee.
  • Die Zahl der Nester der Unechten Karettschildkröte hat sich entlang der Küste Zyperns zwischen 1999 und 2015 verfünffacht. Das gelang durch strenge Schutzmaßnahmen: Die Nester wurden mit Käfigen vor eierplündernden Füchsen geschützt und Nester aus stark touristischen oder zu nahe am Meer liegenden Gebieten umgesiedelt.
  • Trotz jahrelanger ziviler Unruhen in der Region, haben die Schutzbemühungen für die seltenen Berggorillas Erfolg. In den Virunga-Bergen entlang der Nordgrenze von Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo und Uganda ist die Population der Berggorillas von 480 Tieren im Jahr 2010 auf 604 Tiere angewachsen.