Füchse und Nerze in engen Käfigen, Lämmer, die im Winter statt im Sommer geboren werden und in den kalten Nächten erfrieren – die französische Filmemacherin Rebecca Cappelli hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Schattenseiten der Modeindustrie in der eineinhalbstündigen Dokumentation "Slay" (zu Deutsch: "Schlachten") aufzuzeigen. "Die Auswirkungen der Fast-Fashion-Industrie auf unseren Planeten werden inzwischen regelmäßig thematisiert, ein absolut notwendiger und wichtiger Schritt – doch die Tiere werden in dieser Konversation oft vergessen", sagt Cappelli.

China, Australien, Indien, Italien – dreieinhalb Jahre reiste die Französin um die Welt, um Produktionsstätten für Leder, Fell und Wolle genauer anzusehen, eine emotional aufwühlende Zeit für die Produzentin. "Früher habe ich selbst Mode konsumiert, ohne darüber nachzudenken, welchen Effekt mein Kaufverhalten auf die Tierwelt hat", erzählt sie. "Denn wenn wir Leder- oder Wollwaren kaufen, sehen wir das Tier nicht mehr, das in dem Kleidungsstück steckt."

2,5 Milliarden Tiere pro Jahr

Während das Tragen von Fellen aufgrund des Tierleids in Europa mehr und mehr an Beliebtheit verliert, finden sich Leder und Wolle auch mitunter versteckt in zahlreichen Kleidungsstücken. "1,5 Milliarden Tiere sterben jedes Jahr für die Lederproduktion", weiß Cappelli, viele Rinder werden ausschließlich dafür gezüchtet. "2,5 Milliarden sind es jährlich in der gesamten Modeindustrie." Um eine einzige Kuhhaut zu verarbeiten, werden in der Produktion zudem 10.000 Liter Wasser benötigt. Cappelli nimmt in ihrem Film unter anderem mit nach Indien, um die Arbeitsbedingungen in den Gerbereien zu beleuchten – und offenbart schockierende Bilder.

Verunreinigtes Wasser, Dörfer, in denen Menschen kollektiv an diversen durch Chemikalien verursachte Hautkrankheiten leiden – Cappelli will mit "Slay" ein Umdenken bewirken, auf sensible Weise. "Im Film werden absichtlich keine Szenen gezeigt, in denen Tiere getötet werden. 'Slay' ist nicht dazu da, zu verstören, sondern die breite Bevölkerung aufzuklären und eine Veränderung im Mindset zu bewirken."

70 Millionen Schafe werden in Australien für die Wollproduktion gehalten
70 Millionen Schafe werden in Australien für die Wollproduktion gehalten © Slay

Hohe Lämmersterblichkeit

"Made in France", "Made in Italy" – ein irreführendes Label, wie Cappelli in ihrem Film aufzeigt. "Kaum ein Leder kommt tatsächlich aus Italien, sondern aus dem asiatischen und afrikanischen Raum. Wird das Endprodukt in Frankreich oder Italien zusammengesetzt, darf es bereits dieses Label tragen", so die Produzentin.

Gerbereien in Indien verursachen gesundheitliche Probleme bei den Arbeiterinnen und Arbeitern
Gerbereien in Indien verursachen gesundheitliche Probleme bei den Arbeiterinnen und Arbeitern © Slay

Für die Wollgewinnung werden unterdessen allein in Australien 70 Millionen Schafe gehalten. "Die Lämmersterblichkeit ist dabei sehr hoch", sagt Cappelli. "Die Schafe werden für den Profit überzüchtet, Rassen, die eigentlich nur ein Lamm pro Wurf haben sollten, bekommen inzwischen mehrere." Ein Prozess, der für die Schafe oft fatal endet. "Die Mütter sterben durch die Anstrengung nach der Geburt, die Lämmer überleben auf sich allein gestellt nicht lang." Zudem habe sich auch die Geburtszeit der Lämmer verschoben, wodurch die jungen Tiere im Winter häufig erfrieren. Organisationen in Australien begeben sich aus diesem Grund immer wieder auf die Weiden, um Jungtiere zu retten und sie zudem vor dem sogenannten "Mulesing" zu bewahren, bei dem den Tieren ohne Narkose Hautlappen entfernt werden.

Neue, tierfreie Materialien auf dem Vormarsch

"Wir müssen in Zukunft nicht nur für die Umwelt, sondern auch im Sinne des Tierwohls klügere Entscheidungen treffen – und den intrinsischen Wert von Tieren erkennen, ohne aus ihnen Profit zu schlagen", sagt Cappelli. "Denn am Ende gibt es keine ethische und gewaltfreie Gewinnung von Wolle, Leder und Pelz." Die Anzahl der Unternehmen, die an sogenannten "Next-Generation-Materialien", also Stoffen, die ohne tierische Produkte hergestellt werden, arbeiten, wird unterdessen immer größer. "95 sind es weltweit, dazu gehören unter anderem auch vegane Leder wie Piñatex und Kaktusleder." Indem man Brands, die sich tierfreien Produkten verschrieben haben, aktiv unterstütze, könne die Anzahl in Zukunft noch größer werden, ist Cappelli überzeugt. "Und am nachhaltigsten sind die Dinge, die wir bereits im Schrank haben."