Blasse Haut, dunkle Ringe unter den Augen, abgemagerte Körper und ein androgynes Auftreten - der sogenannte Heroin-Chic etablierte sich in den 90er-Jahren mit Models wie Kate Moss und wurde zur damaligen Zeit als Schönheitsideal gesehen. Supermodel Gia Carangi wird unter anderem als Ursprung des fragwürdigen Trends hin zum extremen Schlankheitswahn gehandhabt. Bis in die 2000er-Jahre hielt sich die Meinung, so wenig Kurven wie möglich seien das perfekte Ideal.

Modetrends, die in den vergangenen Saisonen am Laufsteg präsentiert wurden – unter anderem der extrem kurze Low-Rise-Rock der italienischen Marke Miu Miu und tief auf der Hüfte sitzende Jeans –, können inzwischen als Vorboten einer Wende in der Modewelt bezeichnet werden, die sich in eine gefährliche Richtung bewegt. Seit kurzer Zeit bewegt sich der Heroin-Chic, der seinen Namen von der in den 90er-Jahren in der Popkultur verbreiteten Droge und den Konsumierenden erhielt, wieder aus dem Schatten hervor, in den er lange Zeit verbannt worden war.

Dünn und blass – in den 90ern galt Heroin-Chic als das Schönheitsideal
Dünn und blass – in den 90ern galt Heroin-Chic als das Schönheitsideal © imago images/ZUMA Wire (imago stock&people)

Körperform als Trend historisch verankert

Dass Körperformen zum Trend werden, ist ein tief historisch verankertes Konstrukt – beinahe jedes Jahrzehnt des 20. und 21. Jahrhunderts lässt eine Präferenz eines neuen Körpertyps in der medialen Aufarbeitung von Modetrends erkennen. Es ist eine Objektifizierung von Frauenkörpern, die beinahe schon nebensächlich in der Gesellschaft eingebettet ist und das Bild vermittelt, Frauen könnten alle paar Jahre ihren Körperbau von Grund auf ändern. Auf umso größere Empörung stieß aus diesem Grund der provokative Tweet der "New York Post", die einen Artikel unter dem Titel "Bye Bye Booty: Heroin Chic is back" veröffentlichte. Gezeigt werden unter anderem die Kardashians und Kate Moss.

Seit jeher werden die Reality-TV-Stars als Vorreiter zahlreicher, modischer Bewegungen betrachtet. Als sich unter anderem Kim Kardashian im Lauf des Jahres ihre Po-vergrößernden Implantate entfernen ließ und seitdem immer mehr erschlankte, wurde die Modewelt aufmerksam – die Wiederkehr eines Trends?

Glorifizierung von Abhängigkeit

Körperformen als "Trend" zu bezeichnen, ist grundsätzlich zu hinterfragen. Doch vor allem Heroin-Chic, der sich durch extreme Schlankheit auszeichnet und sich an Drogensucht leidenden Personen orientiert, ist eine gefährliche Bewegung. Die Sexualisierung und Glorifizierung von Drogenabhängigkeit und Essstörungen bezeichnet unter anderem auch Therapeutin Kel O'Neill auf Twitter als möglichen Trigger für eine neue Welle von gestörtem Essverhalten in jungen Frauen. Damit steht dieser im Gegensatz zu dem Trend hin zu mehr Wertschätzung gegenüber dem eigenen Körper – der sogenannten "Body Positivity".

Toxische Körperbilder, die vor allem jungen Menschen in den sozialen Medien vorgelebt werden, können somit schnell folgenschwere Steine ins Rollen bringen. Unter anderem wird auf der Video-Plattform TikTok zudem seit Kurzem ein Diabetes-Medikament als Abnehmhilfe verkauft – Tabletten und Fertigpens, die verschreibungspflichtig sind und denen drastische Gewichtsreduktion zugeschrieben wird. Seit 2021 ist der verwendete Wirkstoff in höherer Dosis in der EU zugelassen, allerdings nur für Personen, die unter Übergewicht und Adipositas leiden.

Intensivierung eines bestehenden Problems

Der gesellschaftliche Druck, ein Schönheitsideal zu erfüllen, hat sich trotz der "Body Positivity"-Bewegung nicht maßgeblich verändert, immer noch bewegt sich die Modewelt in einem nicht inklusiven Rahmen, der bestimmte Körpertypen von vornherein ausschließt. Trends zu setzen, die schon aus biologischer Sicht von vielen Menschen nie erreicht werden können, bewirkt aus diesem Grund nur noch eine Intensivierung des bereits bestehenden Problems – und sich nun erneut an einer ungesunden Lebensweise orientiert.