Der Kalifornische Surfer-Lifestyle ist wohl nicht das Erste, was man mit einem Skiort im Schweizer Kanton Graubünden assoziiert. Aber ein Ausflug nach Laax zeigt, dass diese Verbindung besteht, was spätestens im Gespräch mit Surf- und Snowboard-Urgestein Reto Poltéra sichtbar wird.  

Poltéra holt weit aus, wenn er über "Freestylen" zu sprechen beginnt und es klingt bei ihm mehr nach Lebensphilosophie als nach Freizeitbeschäftigung: "Schon vor 5000 Jahren sind Polynesier über Wellen geritten und sie haben das zum reinen Spaß mit ihren Familien betrieben!" Es folgt ein kurzer Exkurs über den Beginn des modernen Surfens auf Hawaii, wie das alles nach Kalifornien gekommen und dort daraus das Skateboarden entstanden ist. Was das alles mit Laax zu tun hat? "Wir wollten das Lebensgefühl der Wellen auf den Berg bringen, wir haben ja kein Meer." Das versuchte er zusammen mit Laax-Chef Reto Gurtner Anfang der 1990er-Jahre umzusetzen.  

Wellen nicht nur im Wasser

Für Poltéra ist klar, es existiert ein urmenschliches Verlangen nach Spaß an Bewegung und er ist überzeugt, dass dieses durch das Reiten von Wellen am besten befriedigt werden kann. Nicht nur im Wasser. Was beim Surfen Wellen sind, sind beim Skaten und Snowboarden "Transitions". Also Rundungen aus Beton oder Schnee, die dem Surfen ähnliche Bewegungen ermöglichen und fast ein Gefühl des Fliegens vermitteln – nicht, nur wenn sich die Protagonisten mit ihrer Hilfe meterweit in die Luft katapultieren.

Ein Gefühl, für das in viel in Laax Bewegung gesetzt wird. Heute steht dort nicht nur der größte Snowboard-Park Europas, das Gebiet gilt auch als Mekka der europäischen Freestyle-Szene. Sein Herzstück ist die mehr als sieben Meter hohe und 200 Meter lange "Superpipe". Insgesamt bringen 17 Shaper jeden Tag die etwa 90 Obstacles auf Vordermann. Das lässt sich das Skigebiet nach Eigenangaben zwei Millionen Euro pro Jahr kosten. 

Ein Teil des Freestyle-Parks von oben.
Ein Teil des Freestyle-Parks von oben. © Philipp Ruggli

Fondue rund um die Uhr

Der Hang zur Welle setzt sich im Tal fort. Etwa in der Szene-Bar "Indy", die tagsüber ob der zahllosen Reliquien (wie Surf-, Snow-, Skateboards, Fotos, Autogramme ...) mehr Museum als Bar ist. Wer sich klassisches Après-Ski erwartet, ist hier fehl am Platz; es zeigt sich ein eher entspannter Zugang der Freestyler zum Leben, zum Beispiel bei kleineren Konzerten.

Ein Fondue-Automat zwischen Bars, Apartments und Talstation erinnert daran, dass man doch noch in der Schweiz ist. Mit dem 24/7-verfügbaren Käse sollte man sich aber zurückhalten, wenn man wenige Schritte weiter die Freestyle Academy betritt. Auf Trampolinen übt man dort Manöver, die es dann am Berg (hoffentlich sturzfrei) umzusetzen gilt. Ein Boulderbereich und ein Skatepark runden das Angebot ab.

Ein Fondue-Automat. Warum eigentlich nicht?
Ein Fondue-Automat. Warum eigentlich nicht? © Knes

Wer beim Thema Kulinarik lieber auf Automaten verzichtet, wird sowohl im Ort als auch am Berg fündig. Einen Besuch wert ist zum Beispiel das Stalla Alps Nagens. Direkt neben der Skipiste wurde ein Kuhstall zum Restaurant umgebaut, das sich durch traditionelle Schweizer Kost auszeichnet. Ans Herz gelegt sei, – was sonst – alles mit Käse: Große Laibe werden vor den Gästen am offenen Feuer angeschmolzen und in fast flüssigen, würzigen Scheiben in verschiedensten Varianten serviert. Der Käse stammt vom Nachbarhof – nur wenige Meter entfernt.

Wenn der Klimawandel einen Schlussstrich zieht, gilt der "Last Day Pass"

Das Thema Nachhaltigkeit und Klimabewusstsein scheint im Skigebiet omnipräsent. "Greenstyle" nennt sich das Konzept, dessen Ziel es ist, bis 2030 zur "ersten selbstversorgenden Alpendestination" zu werden und den Energiebedarf aus regionalen Quellen zu decken. Nun sollte jedem bewusst sein, dass ein Skigebiet dieser Größe eine Menge an Ressourcen verbraucht und dass Bekenntnisse zum Klima- und Umweltschutz oft in Marketing-Abteilungen ihren Ursprung haben.

Dennoch setzt Laax hier interessante Akzente. Neben Projekten zur Abfallreduktion ist das etwa der "Last Day Pass", das "Liftticket für den Tag, der hoffentlich nie kommt". Hintergrund sind Prognosen, wonach der Liftbetrieb Vorabgletscher nur noch gut drei Jahrzehnte möglich ist. Durch den Verkauf des Passes um 80 Franken will man (über eine eigene Stiftung) CO2-Kompensationsprojekte fördern, um den letzten Tag des Liftbetriebes so lange wie möglich hinauszuzögern. Der Zähler auf der Website steht derzeit auf dem 7. April 2056. An diesem Freitag gilt dann der Pass ...