Wer glaubt, kein Testament zu brauchen, sollte über die gesetzliche Erbfolge Bescheid wissen. Der Grazer Notar Peter Wenger erlebt in der Beratungspraxis allerdings häufig, dass Klienten gerade den Status ihrer Lebensgefährtin oder ihres Lebensgefährten im Hinblick auf die Erbfolge völlig falsch einschätzen.

Nehmen wir etwa Frau A. Sie kommt mit Fragen zum Testament ins Notariat. Frau A. hat keine Nachkommen und ist ledig. Sie hat aber einen Lebensgefährten, nennen wir ihn LG, mit welchem sie seit Jahrzehnten zusammenlebt. Die Eltern von Frau A leben beide nicht mehr. Außer einer Halbschwester väterlicherseits hat Frau A keine weiteren Geschwister beziehungsweise Halbgeschwister. Ihren Vater hat Frau A nie kennengelernt, ebenso wenig ihre Halbschwester.

"Frau A hat anfänglich gemeint, dass sie eigentlich ja kein Testament zu errichten bräuchte, weil sie ja schon so lange mit LG zusammenlebt, dass er ihrer Meinung nach auch ihr einziger Erbe sein müsste", erzählt Wenger, der die Frau daraufhin über ihren Irrtum und die Notwendigkeit einer Testamentserrichtung aufgeklärt hat.

Erbfolge ohne Testament

Hätte Frau A kein Testament errichtet, wäre in ihrem Ablebensfall die gesetzliche Erbfolge eingetreten, die bei den eingangs beschriebenen Familienverhältnissen wie folgt aussähe:

Ist man nicht verheiratet und hat keine Nachkommen (Kinder, Enkelkinder etc.), wären die Eltern – sofern sie noch leben – je zur Hälfte die Erben. Ist ein Elternteil vorverstorben, fällt dessen Teil an dessen Nachkommen, sohin an die Geschwister. Wenn beide Elternteile vorverstorben sind, fällt der Teil der Mutter an deren Nachkommen und der Teil des Vaters wiederum an dessen Nachkommen. Hat ein Elternteil jedoch keine Kinder, fällt die gesamte Verlassenschaft dem überlebenden Elternteil bzw. wiederum dessen Nachkommen zu.

Die Halbschwester erbt

Da die Mutter von Frau A ohne Hinterlassung weiterer Nachkommen vorverstorben ist, fällt ihr Teil an den Vater. Da auch dieser vorverstorben ist, fällt die gesamte Verlassenschaft an die Nachkommen des Vaters und somit an die Halbschwester, welche Frau A jedoch, wie gesagt, nie kennengelernt hat.

LG würde – mangels Testament – gänzlich leer ausgehen. "Der Lebensgefährte erbt nur dann, wenn die Verlassenschaft ansonsten dem Staat anheimfallen würde", betont Wenger. "Der Lebensgefährte hat nur das Recht, ein Jahr lang in der gemeinsamen Wohnung weiter zu wohnen und die zum gemeinsamen Haushalt gehörenden Sachen zu benutzen. Voraussetzung ist ein gemeinsamer Haushalt in den letzten drei Jahren."

Neben dem Testament haben Frau A und ihr Lebensgefährte, wie der Notar erzählt, zur perfekten Personenvorsorge und Absicherung ihrer gewohnten Lebensverhältnisse auch noch gegenseitige notarielle Vorsorgevollmachten errichtet: für den Fall des Verlustes der Entscheidungsfähigkeit durch Unfall, Demenz, Schlaganfall und Ähnliches.