40 Hektar Getreidefläche. Das ist viel. Aber für ein Getreideland wie Österreich ja nichts weiter Ungewöhnliches. Doch hier, im idyllischen Riegersburg in der Südoststeiermark, ist die Sache durchaus ungewöhnlich: Denn das Getreide, das hier auf den Ackerflächen der Familie Gölles wächst, wird zum Großteil gebrannt, sprich: es wird zu Spirituosen verarbeitet. Und zwar allen voran zu Whiskey. Das ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen, weil hierzulande über 40 Prozent des Getreides zu Futtermittel verarbeitet wird. Zum anderen, weil Spirituosen in Österreich ja traditionellerweise aus Obst gebrannt werden. Stichwort Schnaps und so. David Göllles machte es sich also alles andere als einfach, als er beschloss, Rogen, Dinkel, Gerste, Mais und Co. in hochprozentige Spirituosen zu verwandeln. Noch dazu in eine, die man vorwiegend mit Irland, Schottland und den USA in Verbindung bringt. Und doch: In seinem „Ruotker’s – house of whiskey, gin & rum“ beweist er: Österreich kann auch Whiskey.

© Rene Strasser

Sein 2019 eröffnetes „Ruotkers“-Haus in Lembach bei Riegersburg gilt vielen Spirituosenliebhabern als Pilgerstätte für allerhand Hochprozentiges. Gut 750 hochwertigste und teils rare Spirituosen aus aller Welt können hier verkostet werden. Und: über 800 Fässer an eigenen Kreationen lagern hier auf zwei Stockwerken. Der Großteil davon in einem hohen Keller, der mit zwei Lustern über dem Verkostungstisch wohl zu den schönsten im ganzen Land zählt. „In Österreich wie in vielen anderen Ländern auch muss ein Whiskey mindestens drei Jahre im Fass reifen, damit er auch als Whiskey verkauft werden darf“, erklärt Gölles.

Und ist damit bei einem seiner Herzensthemen angelangt – den verschiedenen Fassarten und ihrer Auswirkung auf den Geschmack. 60-Jahre alte Sherry Fässer, alte Reisschnaps-Fässer aus Japan, Portwein- und Blaufränkisch- sowie Marsala- und Mezcal-Fässer – hier gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt. „Aber auch die Unterschiede innerhalb der verschiedenen Fassarten sind wichtig“, erklärt Göller. „Wie wurden sie geröstet? Sind sie aus amerikanischer oder französischer Eiche? Sind sie gebraucht oder nicht? Das alles hat Auswirkungen auf den Geschmack.“

Das Glück in der Nase
Das Glück in der Nase © Rene Strasser

Ein aufschlussreiches Beispiel dafür ist der berühmte Bourbon-Whyskey aus den USA, wie Gölles als Kenner erklärt. Dieser muss zu mindestens 51 Prozent aus Mais destilliert werden – und darf nur in neuem Weißeichenholzfässern vor sich hinreifen. „Die Schotten hingegen kaufen zum allergrößten Teil diese gebrauchten Bourbon-Fässer aus den USA. Einerseits, weil die Amerikaner diese Fässer ja nicht mehr verwenden dürfen, und andererseits, weil der Ausbau in einem gebrauchten Fass um einiges eleganter ist als in einem neuen. Wenn man nicht aufpasst, kann der Ausbau in neuem Holz natürlich schnell zu holzig werden.“

Auch Gölles selbst setzt für seine Whiskeys vorwiegend auf amerikanische Eiche – sowohl gebraucht als auch neu. Und gerade, weil er das virtuose Whiskey-Handwerk wie die wenigsten hierzulande beherrscht, lässt er jedwede Art von orthodoxen Zwängen hinter sich. Und experimentiert, und zwar so richtig. Das riecht, schmeckt und spürt man bei seiner Whiskey-Reihe namens Ruotkers. Der Name ist eine Hommage an den Erbauer der Riegersburg im 12. Jahrhundert – und soll verdeutlichen, dass es hier um riegersburgisches Terroir gehen soll, also um die Getreidevielfalt, die die Felder hier ausmacht.

David Gölles „blended“ Whiskeys aus Mais, Roggen, Dinkel, Gerste und Weizen.
David Gölles „blended“ Whiskeys aus Mais, Roggen, Dinkel, Gerste und Weizen. © Rene Strasser

Einer der beliebtesten Whiskeys aus Gölles‘ Ruotker-Sortiment ist der mit dem Namen Ruediger II. Dafür werden Mais, Roggen, Gerste, Dinkel und Weizen verarbeitet – und zwar nach jenem bewährten Prinzip, das auch für die anderen Whiskeys aus dem Hause Gölles gilt. Vereinfacht gesagt unächst wird das Getreide zunächst gemälzt, dann gemahlen und mit heißem Wasser eingemaischt. Dadurch beginnt die alkoholische Gärung, woraufhin zum Schluss das doppelte Brennverfahren in Kupferkesseln zum Zug kommt. Besagte Getreidevielfalt namens Ruediger II. baut Gölles in amerikanischen Weißeichenfässern und in gebrauchten Sherryfässern aus. Das Ergebnis: weicher, schokoladiger Geruch mit runden Röstaromen und einer stimmigen Würzigkeit am Gaumen. „Das ist der bravste von allen“, sagt Gölles augenzwinkernd.

Stimmt schon, der Whiskey namens Alois I. ist ein bisschen frecher. Rogen- und Maiswhiskeys, die jeweils mehrere Jahre im amerikanischen Weißeichenfass lagen, verbringen zum Schluss gemeinsam als Cuvée – Gölles selbst nennt das „Blend“ – 18 Monate im alten Zwetschgenfass. Das ergibt eine sehr fruchtige Nase mit intensiven Getreidenoten und Dörrzwetschgen-Aromen am Gaumen. Und zeigt auch, wie vielfältig, verspielt und anspruchsvoll österreichischer Whiskey mittlerweile sein kann. Der heimischen Getreidevielfalt sei Dank – ganz zu schweigen von mutigen Brennern wie David Gölles, die immerzu Neues wagen. Und damit den Reichtum der heimischen Äcker neu interpretieren.