Hodenkrebs, Prostatakrebs, Peniskarzinom - Erkrankungen der männlichen Geschlechtsteile sind in der Gesellschaft noch weitgehend ein Tabuthema. Viele Männer fühlen sich durch die Erkrankung in ihrer Männlichkeit bedroht oder stigmatisiert. Die Ängste rühren oft von den Behandlungsmethoden der Karzinome. Etwa Inkontinenz und Impotenz können die Folge sein. Doch die Medizin habe hier sehr viele Fortschritte gemacht und es wird nicht mehr so radikal operiert, erklärt der Wiener Journalist Alexander Greiner. Er selbst hat eine Hodenkrebserkrankung überlebt - heute spricht er offen über seine Erfahrungen und wie er "dem Tod in die Eier trat".

In seinem Buch erzählt Greiner, wie er nach der Diagnose sein ganzes Leben auf den Prüfstand stellte. ISBN 978-3-218-01188-4
In seinem Buch erzählt Greiner, wie er nach der Diagnose sein ganzes Leben auf den Prüfstand stellte. ISBN 978-3-218-01188-4 © Manfred Weis / Kremayr & Scheriau

Die erste Diagnose erhielt Greiner 2015. Gerechnet habe er damit aber nicht. "Ich habe beim Radfahren gemerkt, dass meine Hose unter Anführungszeichen irgendwie dicker ist und mich anfangs ein bisschen männlicher gefühlt. So komisch das auch klingen mag." Trotzdem blieb das Gefühl, dass etwas nicht stimmte: "Es war mir nicht ganz koscher", so Greiner.

Den Krebs in der Hose versteckt

Später beim Abtasten, merkte er dann, dass einer seiner Hoden dicker war. "Das war mir neu, obwohl ich mich davor nicht regelmäßig abgetastet habe." Schon am nächsten Tag ging es zum Urologen, weiter ins Radiologie-Institut und schließlich ins Krankenhaus. Ebenda kam auch die Bestätigung. "Sie haben gesagt, es ist Hodenkrebs. Einen Tag später bin ich schon operiert gewesen."

Die schnelle Behandlung führte dazu, dass er sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigte: "Viele Fragen, die da aufkommen, habe ich mir gar nicht erst gestellt". Auch in der Familie sei die Erkrankung kein Thema mehr gewesen. "Die waren einfach froh, dass ich krebsfrei bin. Ich hab es dann auch ganz klassisch, wie Männer eben damit umgehen, eher tabuisiert, den Krebs quasi in der Hose versteckt."

Die zweite Diagnose

Etwa ein Jahr später bemerkte der Wiener schließlich Schmerzen in der Schulter. Diese wurden mit der Zeit so schlimm, dass er keinen Sport mehr machen und kaum noch arbeiten konnte. Dass der Krebs zurückgekommen sein könnte, vermuteten Anfangs auch seine Ärzte nicht. "Ich dachte eher an eine Arbeitsüberlastung oder Sportverletzung".

Deshalb versuchte Greiner die Schmerzen anders in den Griff zu bekommen: "Ich habe Physiotherapie gemacht und alles Mögliche, aber es ist nicht besser geworden. Dann gab es irgendwann ein MRT und es war klar: Da ist ein Tumor". Mit der vorangegangenen Hodenkrebs Erkrankung war schnell klar, dass es sich um eine Metastase handeln musste. "Ich bin mir vorgekommen, als würde ich neben mir stehen. Wie in einem anderen Film", erinnert sich Greiner noch genau an den Tag der zweiten Diagnose.

Das Tabu brechen

"Ich konnte es dann auch nicht mehr verstecken und habe gemerkt, dass es nichts bringt es zu tabuisieren, wie ich das vorher immer gemacht habe", erzählt Greiner darüber, wie er aufhörte über den Krebs zu schweigen. Er habe eine 180 Grad Wendung gemacht und gemerkt, dass "es mir guttut darüber zu sprechen".

Heute ist Greiner wieder krebsfrei und möchte mit seinen Erfahrungen anderen Männern helfen, das Tabu zu brechen. "Was ist schon dabei, wenn ich einmal im Monat meinen Hoden abtaste. Das kann ich für mich und meinen Körper tun und so auch eine bessere Beziehung zu mir und meinem Körper schaffen." Monatlich moderiert er in Kooperation mit der österreichischen Krebshilfe die online Selbsthilfegruppe "Herrenzimmer". Dort können Männer auch anonym über ihre Erkrankung sprechen, egal um welchen Krebs es sich handelt.