Ein zu früher Start ins Leben – also eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche – betrifft rund elf Prozent aller Neugeborenen weltweit. Haben Frühgeborene ein besonders niedriges Geburtsgewicht von weniger als 1500 Gramm, sind sie für akute und langfristige gesundheitliche Komplikationen äußerst anfällig. Besonders bedrohlich ist dabei die Entwicklung einer nekrotisierenden Enterokolitis (NEC).

Diese Erkrankung betrifft sieben bis elf Prozent der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm und ist mit einer Sterblichkeitsrate von 30 Prozent verbunden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Med Uni Graz haben nun gemeinsam mit der TU München und dem Quadram Institute (Großbritannien) im Journal "Nature Communications" Forschungsergebnisse veröffentlicht, die zeigen, wie die NEC-Rate durch prophylaktische Maßnahmen unter drei Prozent gehalten werden kann. Dabei spielen Muttermilch und das Bifidobacterium eine entscheidende Rolle.

NEC-Auftreten verhindern

Frühgeborene mit einem sehr niedrigen Geburtsgewicht (very low birth weight – kurz: VLBW) haben bereits beim Start ins Leben einige Herausforderungen zu meistern. Die NEC ist eine dieser gesundheitlichen Bedrohungen. "Angesichts des raschen Auftretens von NEC haben einige neonatale Intensivstationen (NICUs) spezielle NEC-Prophylaxe-Programme entwickelt, die den Einsatz von Probiotika, enteralen Antibiotika und differenzierten Ernährungsprotokollen umfassen und die in jüngster Zeit zu einem erheblichen Rückgang der NEC-Raten bei Frühgeborenen geführt haben", berichtet Bernhard Resch von der Medizinischen Universität Graz für das Studienteam.

Südösterreichische Neugeborenenstationen haben verschiedene Kombinationen dieser prophylaktischen Maßnahmen mit großem Erfolg umgesetzt, was zu einer außergewöhnlich niedrigen durchschnittlichen NEC-Rate von 2,9 Prozent bei VLBW-Säuglingen geführt hat.

Probiotika unterstützen Verdauungssystem

Das Ziel dieser Prophylaxe-Programme liegt in der frühzeitigen Unterstützung des Darmmikrobioms von Frühgeborenen. In der nun hochrangig publizierten wissenschaftlichen Arbeit untersuchten die Wissenschaftler die Erfolgsmechanismen der verschiedenen Therapieoptionen auf Ebene des Darmmikrobioms und des Stoffwechsels.

Insgesamt wurden 55 VLBW-Säuglinge an drei eng benachbarten Zentren – LKH-Universitätsklinikum Graz, Klinikum Klagenfurt und LKH Hochsteiermark, Standort Leoben – in die Studie aufgenommen. An den drei Zentren werden folgende NEC-Prophylaxe-Optionen angewandt: Antibiotikabehandlung, antimykotische Behandlung, Verwendung von Probiotika (entweder Lactobacillus rhamnosus, eine Kombination aus Bifidobacterium longum subsp. infantis und Lactobacillus acidophilus, oder keine Probiotika) und Fütterung mit Muttermilch bzw. Frühgeborenen-Formulamilch.

"Mithilfe eines Multi-Omics-Ansatzes untersuchten wir die Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms und seiner Metaboliten in den ersten Lebenswochen, um die Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen Ernährungskomponenten, Antibiotika und Probiotika zu verstehen", beschreibt Christine Moissl-Eichinger, Med Uni Graz. Dabei konnten sie zeigen, dass Therapien, die eine Gabe des Probiotikums Bifidobacterium longum subsp. infantis beinhalten, die Entwicklung des Mikrobioms frühzeitig und substanziell beeinflussen. Dies liegt besonders in seiner Fähigkeit, die in der Muttermilch enthaltenen Milch-Oligosaccharide zu verstoffwechseln, die unsere körpereigenen Enzyme nicht aufspalten können. Mit dieser Funktion geht eine frühe Reifung des Verdauungssystems einher. Auch das Probiotikum Lactobacillus rhamnosus zeigte einen positiven, jedoch deutlich geringeren Einfluss.

Muttermilch und Bifidobacterium in Kombination

Entscheidend ist, dass die positiven Auswirkungen der Gabe von Bifidobacterium longum subsp. infantis von der gleichzeitigen Fütterung mit natürlicher Muttermilch abhängen. "Wir zeigen, dass präventive Maßnahmen den größten Einfluss auf die Entwicklung und Reifung des gastrointestinalen Mikrobioms haben und die Etablierung eines widerstandsfähigen mikrobiellen Ökosystems ermöglichen, das Bedrohungen durch Krankheitserreger bei gefährdeten Frühgeborenen reduziert", so das Resümee der Erstautorin Charlotte Neumann.