Der menschliche Körper ist eine wahre Oase für Mikroben, insbesondere Bakterien und Hefepilze. Neben unserer Haut besiedeln sie auch – aber nicht nur – den Darmtrakt, Haarfollikel und die Vagina. Obwohl Bakterien oft als unhygienisch angesehen werden, braucht der Mensch die Vielzahl an Mikroben für ein gesundes Leben. Im Darm helfen sie bei der Verdauung der Nahrung, auf der Haut schützen sie uns vor anderen unliebsamen Gästen, wie etwa Viren und krankmachenden Bakterien.

Neugeborene kommen jedoch ohne eigenes Mikrobiom auf die Welt. Erst während und nach dem Geburtsvorgang kommen sie über ihre Umwelt – insbesondere über die Mutter – mit Mikroorganismen in Kontakt. Die sogenannte "Besiedelung" des Neugeborenen beginnt. Bisher wurde davon ausgegangen, dass Kinder, die mittels Kaiserschnitt auf die Welt kommen, keine Mikroben aus der Vagina und dem Darmtrakt der Mutter erhalten, was einen Nachteil für das Kind bedeuten könnte. Dem wollten Medizinerinnen und Mediziner mit "Vaginal Seeding" entgegenwirken.

Muttermilch gleicht Vaginalflüssigkeit aus

Eine aktuelle Untersuchung eines niederländischen Forscherteams aus Utrecht bewies nun, dass die Besiedelung der Neugeborenen über viele Routen erfolgt. Bis zu 58,5 Prozent des Mikrobioms erhalten Kinder direkt von der Mutter. Der Rest kommt etwa von Geschwistern, weiteren Elternteilen und Familienmitgliedern oder Räumlichkeiten wie dem Krankenhaus.

Bei Babys, die mittels Kaiserschnitt geboren wurden, gleichen Mikroben aus der Muttermilch das Fehlen der Mikroben aus Vagina und Darmtrakt wesentlich stärker aus, als bisher angenommen. "Es wäre auch von der Natur sicher nicht vorgesehen, nur einen Besiedelungsweg einzuplanen", erklärt etwa Bernhard Resch von der Med Uni Graz die Studienergebnisse.

Im Vergleich bekommen vaginal geborene Kinder in der ersten Woche etwa 4,5 Prozent ihres Mikrobioms aus der Muttermilch. Bei jenen Kindern, die via Kaiserschnitt auf die Welt kamen, liegt der Anteil in der ersten Woche jedoch bei 16,6 Prozent. Durch diese Erkenntnis scheint die Praxis des "Vaginal Seeding" für viele Fachleute obsolet geworden. "Es scheint mir auch wesentlich attraktiver, nach einem Kaiserschnitt das Kind an den Busen zu legen, als ihm mit einem Vaginalsekret-getränkten Tuch ins Gesicht zu wischen", so Resch.

© KLZ/Infografik, Adobe Stock, Cell Host & Microbe

Über 2.000 Proben analysiert

Für die im Fachjournal "Cell Host & Microbe" erschienene Studie, untersuchten die niederländischen Fachleute Proben von 120 Mutter-Kind Paaren. Entnommen wurden die Proben aus Nasen-Nachenraum, Speichel, Muttermilch, von der Haut, aus Stuhl und Vaginalsekret der Mutter, sowie aus Nasen-Nachenraum, Stuhl, Speichel und von der Haut der Kinder.

Anschließend konnten die Fachleute feststellen, zu welchem Anteil die Mikroben über die verschiedenen Routen von Mutter auf Kind übertragen wurden. Der Durchschnitt an 58,5 Prozent mütterlicher Mikroben war dabei unabhängig von der Geburtsmethode in beiden Gruppen gleich auf. Lediglich der Anteil, wie die Mikroben auf die Kinder übertragen wurden, zeigte Unterschiede.

"Vonseiten der Keimmenge wird es länger dauern, damit die gleiche Mikroben-Menge beim Kind ankommt. Wahrscheinlich ist eine so hohe Keimdichte, wie nach dem Vaginal Seeding aber gar nicht notwendig", so Resch.